Hanftaschen, Orientalische Nüsse, HUN-MANNA, und Zahme Sau am Spieß! – Mittelalterlicher Jahrmarkt bot im Herzogenriedpark die genüsslichen und düsteren Seiten der Ritterzeit mit heldenhaften Tugendbolden!
Ein- oder zweimal im Jahr gehört ein Besuch eines Mittelaltermarktes oder einer mittelalterlichen Veranstaltung fest zu unserem abwechslungsreichen Programm, und warum? – Das möchten wir euch jetzt erzählen. Die Zeiten des Mittelalters sind zwar schon lange vorbei, dennoch können wir von den Gebräuchen und auch von den Handwerken der damaligen Zeit immer noch sehr viel lernen und auch unglaublich viele Eindrücke mit nach Hause nehmen, von den kulinarischen Köstlichkeiten, die es auf diese Festen und Feierlichkeiten zu speisen gibt, ganz zu schweigen.
In den letzten drei Jahren nicht nur das Mittelalterdorf in Osterburken, sondern auch den großartigen Ochinheimer Mittelaltermarkt in Hockenheim kennen- und sehr schätzen gelernt, zog es uns dieses Mal zur Abwechslung nach Mannheim in den Herzogenriedpark. Wärmstens empfohlen von den vielen Rittern, Knappen, Mägden und Wikingern, die wir in der Vergangenheit des Weges getroffen haben, hatten wir auch eine gewisse Erwartungshaltung an diese Veranstaltung.
Zur Öffnungsstund‘ angekommen, den Eintritt wie immer in Talern entrichtet, wehte uns zunächst einmal der wundersame Duft verschiedener Arbeiten von Kunsthandwerkern entgegen. Ein Schmied hatte seinen Stand unmittelbar am Eingang errichtet, und bot den Kindern an, ein kleines Hufeisen als Glücksbringer selbst zu schmieden. Der Geruch der süßlichen Feuerglut, indem das Eisen gebrannt wurde, vermischte sich mit den Gewürzen der Mandelrösterey, die Nüsse verschiedenster Arten und Geschmacksrichtungen anbot. Unsere Geschmacksnerven befanden sich also bereits zu früher Morgenstund‘ schon im Siebten Himmel. Von den unterschiedlichen Nüssen gekostet, ging es weiter an den kleinen und urigen Verkaufsständen vorbei, immer tiefer in den Park hinein, wo viele bunter Spiele und Veranstaltungen auf uns warteten, die wir leider nicht alle besuchen konnten.
Neben dem, wie bereits schon erwähnten Schmied, waren hier sämtliche mittelalterliche Handwerksbetriebe auf dem Markt vertreten und stellten ihre Kunst zur Schau. Ein Drechsler bearbeitete seine Hölzer nach altem Brauch mit Schleifpapier für den Grobschliff und bestimmten getrockneten Gräsern für die Feinheiten. Eine Spinnerin spann in aller Ruhe ihr Garn mit ihrem Rädchen, und ein Seifensieder verkaufte Seifen aller Art. Natürlich durften wir auch Fragen an die jeweiligen Meister stellen, und erfuhren neues Wissen über die einzelnen und heute doch sehr seltenen Berufe des Mittelalters. Eine Holzofenbäckerei backte kräftiges und unglaublich sättigendes Brot. Ein Scherenschleifer schliff nach alter Tradition an einem großen runden Schleifstein seine Klingen, und ein wenig weiter strickte eine Magd buntfarbige und warme Wollsocken. Auch ein Ziselierer war auf dem Markt vertreten und bearbeitete sein Metall, ganz wie in guten alten Zeiten, ohne Strom, ohne Technik, nur mit den Fähigkeiten und dem Geschick seiner Hände.
Der Besuch eines Mittelaltermarktes ist somit auch immer eine gewisse Entschlackung zu der oft kalten, schnelllebigen und kurzangebundenen Neuzeit, in der alles selbstverständlich scheint, schnell gehen muss, und nur noch wenige Dinge, die nichts mehr mit Technik oder Media zu tun haben, für viele Menschen einen Wert haben oder etwas Besonderes darstellen. Wer nur noch an der Oberfläche des Lebens herumkratzt, der wird niemals die eigentlichen Reichtümer des Lebens kennen oder schätzen lernen, weder die der Natur, noch die der zwischenmenschlichen Emotionen.
Genaues Hinsehen, Hinhören, Hinfühlen, Hinriechen, und auch Hinschmecken, sprich alle fünf Sinne kann man auf diesen Märkten immer wieder neu entdecken und schärfen für die Zukunft; für seine Zukunft.
So probierten wir dieses Mal wieder ein paar Köstlichkeiten aus, die uns in ein völlig neues Geschmacksparadies eintauchen ließen. Ganz nach dem Motto: „Spieß den Chef auf!“, gab es „Zahme Sau am Spieß“ mit würzigem Kraut als Vorspeise, und Hanftaschen mit superleckerem Putenfleisch und Champignons als Hautgericht ein wenig später hinterher. Gerade letztere schmeckte nach mindestens drei Taschen mehr. Doch man sollte auf diesen Märkten auch Genügsam walten lassen, besonders seines Geldbeutels zu liebe, denn so gut die Dinge auf diesen Märkten schmecken, sie kosten Geld, da alles liebevoll zubereitet wird und von Hand angerichtet.
Vorbei an den Hinrichtungsstätten des Mittelalters, für dessen Toten (siehe rechts) auch die Erste Hilfe der Johanniter leider um gut 300 Jahre zu spät kam, gesellte sich Schöngeist in unseren Interessensfokus. Ein Stand mit Schreibfedern und Sigeln faszinierte die Kinder. Einmal mit Tusche schreiben, schönschreiben. Das ist gar nicht so einfach, macht aber sehr viel Freude, entstehen doch beim Schreiben ganz besondere Buchstaben, die je nach Federhaltung auch ein Schriftbild erzeugen, das einen gewissen „Oh-Ha-Effekt“ beim Betrachter erzeugt. Neben dem Erlernen des Schreibens mit Feder und Tinte, und für das Zahlen eines 4-Taler-Obolusses, konnten die Kinder auch Steinmetzarbeiten verrichten, Bögen bauen und Springseile anfertigen. Auch das Kämpfen gegen einen Ritter mit einem selbstgebauten Schwert war möglich.
Im hinteren Teil erwartete uns eine Ocarina-Spielerin und auch Erbauerin aus Ungarn. Die Ocarina ist ein flötenähnliches Instrument, aus dem man wunderschöne Töne entlocken kann. Sie sieht ein bisschen aus wie ein Schildkörte mit Löchern, aber von weitem auch wie ein buntes Nest mit Ostereiern. Fertigen durften wir hier zwar keine, aber wir durften beim Erstellen der Grundform zuschauen, und die Ocarina selbst einmal ausprobieren.
Für die Unterhaltung ist auf solchen Märkten natürlich ebenfalls bestens gesorgt. So, auch im Herzogenriedpark. Hier verschaffte sich die sechsmanngroße Würzburger Combo FRANKONIA gegen 15.00 Uhr plötzlich lautstarkes Gehör, und inszenierte gleich darauf ein Comedy-Show-Kampf-Theater der Extraklasse.
Ein bisschen ähnelte die wilde Truppe den unvergesslich starken Männern rund um den kleinen skandinavischen Helden Wickie. Nach der Vorgabe, dass ein Böser Junge die blonde Prinzessin entführt hat, und nun Lösegeld forderte, durften die Kinder den „Helden“ die jeweiligen Rollen auf den Leib schneidern. So bekam der der Ritter mit den längsten blonden Haaren die Rolle der Prinzessin, der bärenstark aussehende „Halvar“ die Rolle des Helden, und die anderen vier Protagonisten durften ein Pferd, einen Drachen, einen Knappen und natürlich auch den Bösen spielen.
Allerlei Turbulenzen spielten sich nun bei dem großteils improvisierten Spektakel ab. Das arme Pferd brach unter der Last des Helden zusammen, und starb noch lange vor dem Duell mit dem Bösewicht. Hier schickte der Held allerdings erst einmal seinen Knappen in den Ring, der leider beim Zweikampf das Zeitliche segnete. So war es nun des Helden Pflicht aus dem Bösewicht heraus zu prügeln, wo er seine geliebte Prinzessin versteckt hatte. Bemerkungen wie: „Sei lieber froh, wenn du sie nicht siehst“, erheiterten das Publikum, und die gekonnten Kämpfe zwischen den Rittern ernteten viel Szenenapplaus.
Auch der Abschlusskampf gegen den gefährlichen feuerspuckenden Drachen hatte höchsten Unterhaltungswert, genauso wie das Erwachen des Helden am Schluss, als er seine Liebste und Schönste fand, die ihm dann zu Füßen saß. Mehr möchten wir euch allerdings nicht verraten. Das Dauergrinsen der Zuschauer vermag auszudrücken wie schön der Besuch dieses Mittelalterlichen Jahrmarktes wieder war. Wir freuen uns schon auf das nächste Mal.
Bilder: Alexander Höfer
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