Queerfeministisches Kollektiv präsentierte den Dokumentationsfilm „RUPA“, und machte auf das Thema „Säureattacken auf Indische Frauen“ aufmerksam!
Ein alter Bus rattert über die staubigen Straßen und vorbei an der hüttenähnlichen Häuserpromenade Agras in Indien. Langsam, still und auch Leise, ohne Moderation und ohne die Entstellungen der Frauen zusätzlich durch scharfe Nahaufnahmen zu dramatisieren oder in den unmittelbaren Mittelpunkt zu stellen, führen die beiden Filmemacher und Studenten Lisa Mala Reinhardt und Patrick Lohse dem Zuschauer dieses schreckliche Gewaltverbrechen vor Augen.
Rupa war 15 Jahre alt, als ihre Stiefmutter ihr Gesicht mit einer Säureattacke verätzte. Mit einem Schlag verändert sich ihr Leben. Wie fast alle anderen Frauen, denen dieses Schicksal ereilt, stürzte Rupa ab in die totale Isolation. Sie traute sich aufgrund der Entstellung ihres Gesichtes nicht mehr auf die Straße, und sie hatte sogar zeitweise das Gefühl, dass sie die einzige Frau Indiens wäre, der diese Schmach widerfuhr.
Rund 1.000 Frauen, so Lisa Mala Reinhard in der anschließenden Gesprächsrunde, werden in Indien jährlich Opfer einer solchen Gräueltat. Erst seit Kurzem werden die Säureattacken als eigenständiges Delikt geführt. Früher galt diese Tat „nur“ als Körperverletzung.
Die Beweggründe der Täter sind meist niedrig. Eifersucht oder Neid sind zwei Hauptursachen für diese nicht wirklich nachvollziehbare Tat. „Wie krank, oder wie gestört muss eigentlich jemand sein, um eine solche Tat zu begehen?“, waren in diesem Zusammenhang zwei durchaus berechtigte Fragen unseres Vorsitzenden Alexander Höfer.
Im weiteren Verlauf des Filmes lassen Lisa Mala Reinhardt und Patrick Lohse die schwer geschädigte Rupa zunächst einmal ihre Leidensgeschichte erzählen. Düstere und graue Landschaftsbilder begleiten den Zuschauer auf der Reise durch die persönliche Hölle einer Frau, die von einem Moment auf den anderen aus ihrem normalen Lebensalltag herausgerissen wurde. Rupa berichtete über die entsetzlichen Schmerzen unmittelbar nach der Tat, den leidgetränkten und ebenfalls sehr schmerzhaften Aufenthalt im Krankenhaus – anderthalb Jahre wurde sie rund ein Dutzend Mal operiert – sowie ihre große Ungewissheit, wie es fortan in ihrem Leben weitergehen sollte. Sie erschrak beim Anblick ihres Spiegelbildes und schämte sich sehr, dass ihr diese Schmach angetan wurde. So verleugnete sie aus Scham lange Zeit die Wahrheit, und erklärte gegenüber Dritten oder in der Öffentlichkeit, dass ein Haushaltsunfall – ein explodierender Topf – zu ihrer Gesichtsentstellung geführt hätte.
Irgendwann kam dann in Rupas Leben der Moment, in dem sie sich klar darüber wurde, dass sie nicht schuld an ihrem Äußeren sei, und traf Gleichgesinnte mit denen sie zusammen das Café „Sheroes Hangout“ eröffnete.
Dieser mutige Schritt in die Öffentlichkeit veränderte das Leben der jungen Frau maßgeblich. Seit diesem Moment lebt und arbeitet die eigentliche Modedesignerin zusammen mit ihren Leidensgenossen diesen gemeinsamen Traum, und bekam dadurch auch sehr viel Publicity seitens der Medien.
Einen Monat lang betreuten die beiden Studenten Rupas neues Leben, und zeigten sich besonders überrascht von ihrer positiven Einstellung. Sie wäre mit ihrem Leben derzeit sehr zufrieden, so Rupa. Regelmäßig besuche sie den Visagisten, um sich ihr Gesicht verschönern zu lassen. Auch gemeinsame Marktbesuche – das Zeigen in der Öffentlichkeit – machen ihr keine Probleme mehr.
Hin und wieder lässt es die junge Frau auch bei Geburtstagsfeiern mal so richtig krachen. Posieren mit Touristen oder interessierten Gästen des Cafés stehen mittlerweile auf der Tagesordnung. Hier macht der Dokumentationsfilm auch deutlich, dass Selbstermächtigung und Zusammenhalt zwei ganz wichtige Grundvoraussetzungen sind aus der Isolation herauszukommen und ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.
Damit werfen Lisa Mala Reinhardt und Patrick Lohse natürlich unweigerlich jede Menge Fragen auf.
Als Beweggründe, warum Menschen – überwiegend Männer – zu einer solchen Tat greifen, haben wir Eifersucht und Neid bereits schon erwähnt. Aber auch die Ablehnung eines Heiratsantrages – also der Korb von einer Frau – gehört zu den häufigsten Ursachen dazu. Im Falle von Rupa, war es die Stiefmutter, deren unverzeihliche Tat dazu führte, dass ihr Vater sogar das Elternhaus beleihen musste, um die vielen Operationen bezahlen zu können.
Zwar gäbe es eine Absicherung seitens des Staates, so Lisa Mala Reinhardt, aber die Gelder reichen bei Weitem nicht aus, um alle Kosten zu decken. Natürlich nimmt man hier auch die Täter in die Pflicht. In den meisten Fällen haben diese jedoch kein Vermögen, so dass die Geschädigten auf den Restkosten sitzen bleiben. So sind die Hilfsorganisationen auf Spendengelder angewiesen. Mehr Informationen findet ihr unter Stop Acid Attacks.
Das Strafmaß für die Täter variiert, je nach Schwere der Verletzung. Im Falle Rupas bekam die Stiefmutter „nur“ eine Gefängnisstrafe von anderthalb Jahren, was auch daran lag, dass ein Säureangriff zur damaligen Zeit noch als Körperverletzung galt. Heuer, durch die neue Gesetzgebung, wartet auf die Täter aber schon eine Gefängnisstrafe bis zu zehn Jahren.
Der Film wird als nächstes am 29. April 2017 auf dem Asientag in Köln aufgeführt. Im Mai ist eine Veranstaltung in Offenburg bei der Gruppe Alarm e.V. geplant. Mehr Informationen und Bilder findet ihr auf der Facebookseite: RUPA.
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