„Zwischen Alltagsdüsternis und Sexappeal!“ – Port25 feierte die Eröffnung der neuen Vernissage „geh doch einfach weiter“ mit GENESIS-Mama und abgefahrenem deutschen Punk-Rock!
Ein Zelt, in dem ein Bewohner oder eine Bewohnerin liegt, steht als witziger „Eye-Catcher“ im Eingangsbereich des PORT25, und macht mit seiner aberwitzigen Pizza-Hose Appetit auf die neue Ausstellung „geh doch einfach weiter“. Der graue Raum für Gegenwartkunst, glänzt bereits im Foyer mit der Edition Fieber von Thomas Venker wieder mit ziemlich viel bunter Farbe, sowie teils radikalen und teils skurrilen Ausstellungsstücken.
Tolle Vinyl-Singles en Couleur, sowohl feurig-scharfe, als auch süße und fruchtige, gibt es hier im Parterre zu bewundern. Passend zum Ambiente dieser Vernissage lässt DJ Lankisch im Hintergrund sehr angenehme und unkommerzielle Musik aus den Siebzigern und Achtzigern laufen. Eine wirklich sehr schöne Begleitung, zum Anschauen dieser interessanten Kollektion, bei der es sogar einen durchsichtigen Single-Rohling mit Diamantzusatz zu sehen gibt.
In der großen Galerie auf der ersten Etage können die Besucher dann ziemlich große Gemälde des bisher wenig ausgestellten Mannheimer Künstlers Huby M auf Leinwand bewundern, aber auch genial bemalte Schreibtischunterlagen und Bleistiftzeichnungen, sowie Bilder, die mit Fineliner und Pinsel erstellt wurden.
Hier haben die Verantwortlichen des PORT25 wirklich eine umfassende Werkauswahl dieses Künstlers zusammengetragen. Entstanden sind die Werke zwischen 1986 und 2016 und geben damit also einen Gesamteinblick in das 30-jährige Schaffen des Mannheimer Künstlers, der in Langenhagen im Eichsfeld aufwuchs.
Die großen Gemälde auf Leinwand wirken ziemlich düster und bedrohlich, da Personen in die Länge gezogen wurden und dadurch eine katatonische Spannung erzeugt wird. In dieser Düsternis findet sich auch eine besonders interessante Kreativität in der Betitelung, wie zum Beispiel bei den Bildern „Klassenlehrerstunde“ (links) und „Lauchsuppe“ (rechts). Fotografieren war dieses Mal erlaubt, weil die Exponate auch zum Verkauf stehen. Für 11.500 Euro kann man die Gemälde von Huby M noch bis zum 19. Mai 2016 im Raum für Gegenwartkunst käuflich zu erwerben. 3.100 Euro kosten die Schreibtischunterlagen, und die Fineliner- und Pinselbilder stehen für 440 Euro zum Kauf.
Neben Huby M, sind auch sehr ausgefallene Skulpturen der jungen Künstlerin Hanna Woll ausgestellt. Die Kunstschaffende arbeitet vorwiegend mit heterogenen Materialien, die sie auf ganz interessante Weise miteinander vereint. Hierfür verwendet sie Stein, Bronze, Glas, Gips und Lehm, sowie organische Stoffe, wie zum Beispiel Textilien und Zuchtkristalle. Durch die Kombination entstehen außergewöhnliche Werke, die im Kontext zur Natur, des Traums aber auch der literarischen Bezüge stehen. Diese Werke sind ebenfalls käuflich erwerblich. Sie kosten zwischen 1.700 und 7.800 Euro.
Besonders ins Auge fallen auch die Kopigraphien der dritten ausgestellten Künstlerin von Andrea Esswein. Die großen und eindrucksvollen Werke bestechen durch Schattierungen, die aufgrund des Vervielfältigens entstanden sind. Hierfür wurde auch der Kopierer zweckentfremdet, sodass Unikate entstanden, also Bilder, die es nur einmal gibt.
Zu sehen sind zum Beispiel Brautkleider, oder auch posierende Menschen, die stückweise zusammenkopiert und collagenartig überlappt wurden, um sie so, auf ihre prächtige Originalgröße zu bringen. Wer mehr über diese Technik erfahren möchte oder diese Werke mal in Natura erleben, der sollte sich diese Chance nicht entgehen lassen, und einfach mal im Raum der Gegenwartkunst vorbeischauen.
Für das heutige Eröffnungsprogramm organisierten die Verantwortlichen des PORT25 den Performance-Künstler Wolfgang Sautermeister, den Leiter der Malwerkstatt für erwachsene Behinderte von der Lebenshilfe Bad Dürkheim.
Nach einer kurzen, aber sehr anspruchsvollen Begrüßungsrede von Kuratorin Stefanie Kleinsorge begann Wolfgang Sautermeister mit seiner Performance
„Ein Körper, der durch Sprünge geht“. Hierfür hatte er viele Bilder halbkreisförmig um einen Rednerpult gelegt, und präsentierte als Eröffnung ein Puppenbaby, das „Mama“ schrie, symbolisch für den Beginn des Lebens. Begleitend dazu, ließ er gleich darauf über ein altes Grammophon den Hit „Mama“ von GENESIS laufen, und reanimierte das Puppebaby wieder in dessen Rhythmus zum Leben, nachdem es plötzlich verstummte. Ja, das Leben, es ist so etwas Wertvolles, ein Geschenk Gottes, das viele in der heutigen Zeit einfach sinnlos wegwerfen, anstatt es jeden Tag von neuem zu reanimieren, etwas zu machen, etwas zu tun, etwas zu erleben.
Im weiteren Verlauf trug uns der Künstler sein „ÜBER-Gedicht“ vor, und führte uns über Leben, über Wasser, über Glück, über Traurigkeit, über Freude und über Leid, sowie über andere natürliche Dinge, hin zum Nachdenken über das Leben, über das Wasser, über das Glück, über die Traurigkeit, über die Freude, über die natürlichen Dinge und übernatürlichen Dinge, bis hin zu seiner sehr freizügigen Choreographie, die sich fast über den komletten Ausstellungssaal des PORT25 erstrecke, und ihn am Ende nahezu im Adamskostüm als bedrohliches Schattenabbild seiner selbst vor einer Wand zeigte.
Wenig später bot uns das Berliner Duo Doctorella im Foyer alternative deutsche Rockmusik mit Punkelementen. Im Normalfall besteht die Band Doctorella aus fünf Musikern. Aber weil diese derzeit alle unbedingt heiraten müssen, sind die beiden gebürtigen Heidelbergerinnen und Schwestern Kerstin und Sandra Grether heute nur als Akustik-Duo anwesend.
Mit im Gepäck hatten die beiden jetzt in Berlin lebenden Schwestern auch ihre Songs des neuen Albums, das in Kürze erscheinen wird. In dem akustischen Set gab es dann sowohl ziemlich lustige, als auch lyrische Songs zu belauschen, die stets von einer Eingängigkeit und Schlichtheit geprägt waren.
So erklang die elektrische Gitarre mal ziemlich rau und einfach verzerrt, wie auf dem Album Le Noise von Neal Young, aber auch manchmal recht weich und geschmeidig wie bei den Folklore-Rock-Songs von R.E.M. In eine musikalische Schublade ließen sich die beiden allerdings nicht stecken. Zu vielseitig und Genres übergreifend präsentierten sie sich.
Lustige Texte über das Irrenhaus, das Meer, die Liebe, aber auch den Sexappeal, trugen unmittelbar zu der angenehmen Atmosphäre des kunstreichen Abends bei. Wir freuen uns schon jetzt auf den nächsten Besuch.
Bilder: Alexander Höfer
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Um […] Kleidung zu kaufen, ruft man einfach an, oder schickt eine Nachricht durch den Computer. Um vor Gericht auszusagen oder jemanden kennenzulernen oder das eigene Testament zu verlesen, nachdem man tot ist, kann man ein Videoband schicken. Um jemanden zu schwängern oder sich fortzupflanzen, kann man einfach Sperma schicken. Man muss nicht einmal anwesend sein, um Krieg zu führen – man schickt einfach eine Bombe. – (Andy Warhole, 1988)
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