Geniale Laufräder! – Die ersten coolen City-Roller! – Und exklusive Sportkinderwagen! – Das Kurpfälzische Museum bot eine nostalgische Spieleausstellung zum Anfassen!
Vor knapp zwei Jahren drehte sich in Mannheim beim 200-jährigen Jubiläum ein ganzes Jahr lang alles um das Rad, und wir haben eine Reihe von Veranstaltungen zu diesem Thema besucht. So war die neue Sonderausstellung Mobile Kinderwelten im Kurpfälzischen Museum der Stadt Heidelberg hinsichtlich der Fahrräder für uns zwar einerseits ein kleines Déjà-vu, andererseits bot die Sammlung unheimlich viele Kinderschätze von Anfang der Zwanzigerjahre bis hin zu den Siebziger und Achtziger Jahren. Das bedeutete vor allem für unsere Eltern Schwelgen in der Nostalgie.
Bildschön und sehr liebevoll erfüllten sehr gut gepflegte und auf Hochglanz polierte Spielzeugraritäten die Räumlichkeiten des Museums. Gleich zu Beginn begrüßte uns ein Laufrad mit Pferdekopf. Diese geniale Idee war das Resultat großartiger Handarbeit, und stammte aus dem Jahr 1900. Respekt, wie viel Fleiß und Liebe die Menschen damals in ihr Handwerk und in ein Spielzeug steckten.
Was viele Kinder von heute nicht wissen. Früher, also im 19. Jahrhundert, hatten Kinder keine Zeit und so gut wie keine Möglichkeit zu spielen, denn sie mussten nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen europäischen Ländern arbeiten und zum Familienunterhalt beitragen. Sprich, Kinder mussten, sobald sie aus ihrem Kleinkindalter herausgewachsen waren, tatkräftig mit anpacken. Die Mädchen im Haushalt und bei der Ernte, und die Jungs mussten mitunter auch im Tagebau ganz schwer schuften und ruinierten sich so bereits sehr früh ihre Gesundheit. Die Songs „A Boy in Darkness“ und „Uncle Jack“ von der großartigen Retro-Prog-Band BIG BIG TRAIN, die sich auf ihren Alben sowohl textlich, als auch atmosphärisch mit Englischer Historie und familiären Themen beschäftigt, erzählt in ihrer Musik sehr eindrucksvoll über das Schicksal ihrer Großväter, die bereits mit elf Jahren im Tagebau sogar nachts tief unter der Erde Steinkohle abbauen mussten, und sich dabei so schwere gesundheitliche Schäden zuzogen, dass sie alle sehr früh verstarben.
Das Ausbeuten von Kindern, sowohl vor, als auch in der Zeit der Industriellen Revolution des frühen 20. Jahrhunderts; diese Kindesmisshandlung, ist auch heute noch oft und vielerorts ein Tabuthema. So zeigte die Ausstellung Mobile Kinderwelten auch, wie gut es eigentliche den Kindern ging, die insbesondere in den Fünfziger, Sechziger und Siebziger Jahren aufwuchsen, und mit welchen großartigen und lehrreichen Spielzeugen die damalige Industrie aufwartete; Spielzeuge, mit denen die Kinder in der Freizeit selbständig ihre Motorik, ihre Balance und ihre Geschicklichkeit fördern konnten. Vom Spaß ganz zu schweigen.
Dementsprechend waren die ersten Laufräder, bei denen wir uns überhaupt nicht vorstellen konnten, wir die Menschen damals mit diesen Gefährten überhaupt fahren konnten absolute Eyecatcher. Über großartig erhaltene Hochräder und Dreiräder gelangten wir schließlich in den Roller- und Kettcar-Bereich. Kinder, die in den Fünfzigern und Sechzigern groß geworden sind, werden sich noch bestens an diese knallroten Flitzer mit ihren weiß-beigen Rädern erinnern, von den Kettcars ganz zu schweigen. So ein Roller oder auch ein Kettcar waren damals absolute Pflichtspielzeuge. Auch in den alten Schwarz-Weiß-Filmen der damaligen Zeit, besonders in denen Kinder die Hauptrolle spielten, aber auch in der Kinderserie Rappelkiste, waren diese beiden Spielzeuge sehr häufig zu sehen.
In der Ausstellung gibt es aber auch einige Spielsachen mit denen unsere Betreuer und Eltern ziemlich viele Kindheitserinnerungen verknüpften. „Schau mal, so ein Fahrrad hatte ich auch, als ich klein war.“ – oder „Das waren meine Rollschuhe!“
Die ausgestellten Kinderwagen waren ebenfalls ein absoluter Hingucker. Hier gab es von „normalen“, oder besser gesagt, Standartkinderwagen, bis hin zu den ersten, total abgefahrenen „Sportkinderwagen“ unheimlich tolle und extravagante Modelle zu bewundern.
Das Kinderhighlight schlechthin war jedoch die Möglichkeit, sowohl Geschicklichkeitsspiele als auch Fahrräder und Kettcars selbst auszuprobieren. Hier gab es mit Kendema ein japanisches Holzspielzeug, das einen vom ersten Moment des Spielens ganz tief in seinen Bann zog. Beim Kendemaspielen muss man versuchen eine an einem Seil hängende Kugel so aufzufangen, dass sie auf der Holzspitze des Griffes liegen bleibt. Keine einfache Sache, und nicht nur unsere Kiddies, sondern auch unsere Erwachsenen benötigten schon ein wenig Übung, um das einmal schaffen zu können.
Wir bedanken uns ganz besonders bei Herrn Zhenran Zhang, der uns durch die Ausstellung begleitete, und uns das Fahren mit den außergewöhnlichen Gefährten ermöglichte, sowie bei Frau Sylke Mößner für die Erlaubnis in der Sonderausstellung ein paar Fotos zu machen. Wir freuen uns schon sehr auf unseren nächsten Besuch.
Bilder: Alexander Höfer
Diese Berichte könnten euch auch interessieren:
2 Räder – 200 Jahre | Lebendiger Neckar | Draisinenrennen | Monnem Bike |
6. Quilt-Triennale | Utopia | Reiselust | Reife Früchte |
ANIMUS KLUB
Das Spiel zeigt den Charakter! – (Deutsches Sprichwort)
„Hat euch unser Bericht gefallen?“ – Wenn ja, dann würden wir uns über euer „Like“ und einen Kommentar auf Facebook sehr freuen. Vielen Dank