Snuff Puppets, rhythmischer Hip-Hop, Electric-Boogie-Popping, Alphorn-Klassik, Ratten-Rock und Nasenflöten-Sonaten! – Ludwigshafener Straßentheater verzauberte drei Tage lang mit ultimativer Kleinkunst und spektakulären Shows!
Das Internationale Straßentheater Ludwigshafen ist schon seit Jahren mit ganz großem Abstand das schönste Highlight der Metropolregion. Nie dürften wir an diesem Wochenende ein anderes Programm anbieten. Unsere Mitglieder würden uns das nämlich niemals verzeihen, wenn sie auf ein so großartiges Programm verzichten müssten. Doch ein kleines Manko hatte das Festival bisher immer. Es war uns an zwei Tagen leider niemals möglich alle Künstler anzuschauen. Einen Tag länger, das ist schon seit Jahren unser ganz großer Wunsch, der in diesem Jahr in Erfüllung ging. Vielen Dank dafür. So können wir erstmals in einer dreiteiligen Berichterstattung allen Künstlern unsere Wertschätzung für ihre tollen Darbietungen aussprechen. Gleich vorweg, es war aller erste Sahne, was die Verantwortlichen rund um die Kulturdezernentin Prof. Dr. Cornelia Reifenberg und Organisator Fabian Burstein wieder in die Ludwigshafener Innenstadt gezaubert haben. Absolut abwechslungsreich, vielseitig, und für jeden etwas dabei. So präsentierten sich die 17 Künstler an den drei Tagen.
Wie immer hat sich unser erster Vorsitzender Alexander Höfer im Vorfeld hingesetzt und für uns eine ideale Laufroute zu den einzelnen Shows ausgearbeitet. In diesem Jahr sollte das Festival sogar an acht unterschiedlichen Plätzen stattfinden. Hier möchten wir abermals den Verantwortlichen ein ganz dickes Lob aussprechen, denn so einen großartigen Ablaufplan hatten wir bisher noch nie. Die Shows waren von den zeitlichen Abläufen so hervorragend geplant, dass wir erstmals stressfrei – also ohne uns beim Ortswechsel abhetzen zu müssen – von einer Vorführung zur nächsten gehen konnten, und auch noch genügend Zeit blieb, um etwas zu essen und zu trinken, was bei der aktuellen Hitze auch unbedingt notwendig war.
So nun aber genug des Lobes, und hin zu den Künstlern, die uns drei Tage lang unser Leben versüßten, wie es schöner nicht hätte sein können. Angefangen haben wir mit den SNUFF PUPPETS. Die australische Künstlercombo führte ihre geniale „Giant-Human-Body-Parts-Show“ vor. Wie immer haben wir uns im Vorfeld nicht über die einzelnen Gruppen oder ihre Shows informiert. Überraschen und verblüffen lassen, ist immer das Schönste. Pünktlich um 15.00 Uhr betraten die fünf wandelnden Organe aus einem leerstehenden Geschäftsgebäude die Straße rund um den Knödlerbrunnen. Als erstes ein glupschendes Auge, das neugierig in die Zuschauermenge glotzte. Gefolgt von einem lauschenden Ohr, das uns sofort unmissverständlich deutliche machte, dass es alles hörte, was wir sagten. Als drittes folgte eine skurrile Nase, die sich ein ums andere Mal rümpfte, als sie uns roch.
Ein heißhungriger Mund, der dem einer fleischfressenden Pflanz sehr ähnlich war und eine gigantische Riesenhand, die uns sofort vereinnahmen wollte, bildeten den Schluss dieses Quintetts, das fortan rund um den Knödlerbrunner allerlei Schabernack trieb. Da wurde Wasser geleckt, und die Hand gewaschen. Das Ohr legte sich plötzlich auf die Motorhaube eines Busses und lauschte dem Geräusch. Das Auge verfolgte alles ganz genau, und signalisierte uns: „Seid ja schön brav!“ Zu guter Letzt begann eine lustige Verfolgungsjagt durch die Bismarckstraße, und die Hand signalisierte an einem Handy-Shop ganz genau, welches Mobiltelefon sie gerne hätte oder legte sich schützend über ein Auto. Was für eine tolle Eröffnung.
Als zweites haben wir uns GABOR VOSTEEN angeschaut. Angepriesen wurde er als der Mann mit den Blockflöten. Ein Ian Anderson-Verschnitt à la Jethro Tull? – Nein, mit Nichten. So eine abgefahrene Show aus Pantomime und Flötenorgie, hätten uns der geniale Anderson und seine Tull-Truppe niemals geboten, ohne die Fähigkeiten des legendären Musikers jetzt schmälern zu wollen. Aber was der Vosteen da auf der Bühne abzog, muss man wirklich gesehen haben. Mit einer Blockflöte kann ja fast jeder spielen. Aber mit zwei Flöten gleichzeitig, wird es schon wesentlich schwieriger, und beide Flöten sogar mit der Nase zu spielen schier unmöglich. Hier begann die Ausnahmekunst dieses musikalischen Barden, der es im ersten Teil seiner Show sogar soweit triebe, die Flötentöne abwechselnd mit Mund und Nase zu spielen. Flohwalzer und die kleine Nachtmusik in einem neuen musikalischen Gewandt als Nasen-Pusten-Version.
Präzise und absolut fehlerfrei präsentiert, und frenetisch vom Publikum gefeiert, holte er gleich darauf eine ganz spezielle Flöte aus seinem Koffer, nämlich eine Elektroflöte. Die Erheiterung kannte keine Grenzen mehr, als er auf dieser wenig später Gitarrentöne entlockte und uns von Deep Purple den weltbekannten Riff von „Smoke on the Water“ um die Ohren flötete.
Danach drehte der ohnehin schon ziemlich wild agierende Vosteen völlig ab, und spielte fortan nicht nur mit zwei, sondern auch mit drei, vier und fünf Flöten gleichzeitig. Drei mit dem Mund und zwei mit der Nase. Dabei stellte er sich wie Ian Anderson einst auf ein Bein. Wir könnten noch Stunden über diesen Weltklassekünstler schreiben, der zwischenzeitlich seinen Flöten auch minutenlange 64-zigstel entlockte, aber es wartete bereits schon die nächste großartige Veranstaltung auf uns.
Die COMPAGNIE DYPTIK aus Frankreich – eine Hip-Hop-Combo par Excellence – gab sich die Ehre auf dem Vorplatz der Rhein-Galerie ein Tanzspektakel der besonderen Art zu präsentieren. D-Construction, heißt die neue Perfomence, der aus St. Etienne stammenden Gruppe. Im Zentrum steht ein Metallgerüst, dessen Zaun den Zuschauern die Möglichkeit bietet die Aufführung aus zwei verschiedenen Winkeln zu betrachten. So war es der Gruppe wichtig, dass sich die Zuschauer, sowohl auf der einen Seite, als auch auf der anderen Seite des Zauns positionierten, und sich zu setzen, dass alle etwas sehen konnten.
Geniale Tanzakrobatik, in der tiefstehenden und schweißtreibenden Sonne, mal synchron, mal mit atemberaubenden Solo-Einlagen gaben die sechs Akteure fortan zu einer bombastisch rhythmischen Musik zum Besten. Sämtliche Tanzstile, des Hip-Hops, besonders des B-Boyings kamen in dieser Choreografie zur Geltung. Wir sahen exzellente Topspins – Backspins, Headspins, Windmills und Freezes – Hollowbacks, Air-Freezes – sowie Figuren des Poppings innerhalb der Aufführung, die mit Akrobatischen Sprüngen an den Stangen des Metallgitters Eins zu Eins miteinander verschmolzen.
Im zweiten Teil der Show wechselte die Combo von einer Seite des Zaunes auf die andere. Sprich wir, die Zuschauer, mussten nun die Plätze wechseln. Während die Leute, die bisher am Zaun saßen, ganz langsam nach hinten rückten, um für die Tänzer Platz zu machen, durften wir nun bis an den Zaun vorkommen. So begann für beide Seiten die wie bereits schon erwähnte „andere Sichtweise“. Dieser Effekt, der durch die Anwesenheit des Zaunes verursacht urde, war in der Tat beeindruckend, denn obwohl die Tänzer eine vergleichbare Choreografie darboten, entstand bei uns Zuschauern ein total anderes Gefühl.
Szenenwechsel. Die Ratten vom Theater Paspartout, die vor fünf Jahren die komplette Innenstadt mit ihrer damaligen Show „vermüllten“, und die Kinder schön brav aufräumen ließen, waren mit ihrer neuen Show „RaTaTa“ vor Ort, und präsentierten uns dabei die Rattenfanfare. Ganz langsam und unscheinbar schlichen sich die fünf schmuddeligen Tierchen aus der Zuschauermenge direkt auf die Bühne, und fingen dann erst einmal an sich heftig zu zanken und zu zoffen. Geschwisterzwistigkeiten wie – Das gehört mir und nicht dir – aber auch Trotz – „Du kannst mich mal!“ – wurde mit hervorragender Pantomime zelebriert.
Nach einem Instrumententausch, legte sich die Ratten-Gang musikalisch ganz heftig ins Zeug und rockten die Bismarckstraße, dass es eine helle Freude war. Eine Ratte spielte sogar mit ihrem langen Schwanz Bassgitarre. Amüsantes Spiel und lustige Gags lockerten die Show auf, und auch das berühmte Sprichwort: „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“, wurde eindrucksvoll dargestellt, indem die Ratten dem eigentlichen Provokateur auf ganz geniale Art und Weise mittels „Rattenfalle“ den Gar ausmachten.
Mutige Kinder waren fortan gefragt, Äpfel und Bonbons von den Ratten entgegenzunehmen, oder einen Lolli aus der Rattenfalle zu ziehen. Was anfangs nur zögerlich funktionierte endete am Schluss beinahe in einem Fiasko, denn urplötzlich wollten alle Kinder Süßigkeiten und strömten aus allen Richtung auf die Ratten zu. Begleitet vom Jubel der Zuschauer machten wir uns auf den Weg zum Ludwigsplatz.
Electric Boogie war nämlich dort als nächstes angesagt. Auf dem Ludwigsplatz positionierten sich mit den beiden Tschechen Zdeněk Kremláček und Patrick Ulman, alias HYBRIDS CREW, die amtierenden Europameister und Vize-Weltmeister dieses Genres. Für alle Laien. Electric Boogie ist eine Disziplin, bei der die Künstler ihre Bewegungen wie Maschinen oder Roboter ausüben. Ein ständiges Rucken und Zucken aber auch urplötzliches eingefrieren von Bewegungen gehören ebenfalls zu den jeweiligen Choreografien dazu. Eine Bildwidergabe dessen, was diese beiden Künstler in Ludwigshafen auf die Bühne stellten, ist allerdings sehr schwierig, weil man die Bewegungen auf einem stillen Bild nicht wirklich erkennen kann. Es ist uns dennoch gelungen in der Aufführung ein paar ganz geniale Schnappschüsse zu erfassen, die dem Leser einen kleinen Einblick von dem wiedergeben, wie dieses Duo sich auf der Bühne bewegten.
Besonders beeindruckt waren wir von der Szene, in der Patrick den Zdeněk an einem imaginären Korkenzieher nach oben kurbelte, und die beiden im Anschluss eine wechselwellige Standchoreografie mit den Armen und mit viel Gestik und Mimik auf die Bühne zauberten. Eine Animation zum Mitsingen und Klatschen beendete dann die gut 30-minütige Show aus Robot-Dance, Clownesque und Pantomime.
Das Finale des ersten Tages gehörte dem Duo GOGOL & MÄX auf der Hauptbühne vor dem Rathaus-Center. Ein Klavier und eine große Pauke zierten das Bühnenbild. Andere Instrumente, die während dieser exzellenten Show zum Einsatz kamen, waren noch nicht sichtbar, oder standen gut getarnt im Hintergrund. Gogol, ein völlig arroganter und von sich absolut überzeugter Klassik-Fetischist, und Mäx, das genaue Gegenteil; ein Liebhaber der U-Musik, wollten sich gleichzeitig, jeweils – SOLO – in den Mittelpunkt der Show drängen, um so dem Publikum ihr Können zu offerieren. Dass es hier natürlich ziemlich schnell zu ganz großen Differenzen kommen würde, war klar, und während Gogol klassische Stücke von Mozart, Beethoven und Chopin etc., auf seinem Flügel zum Besten gab, trommelte, oder spielte der etwas chaotische Mäx ganz heftige Stakkatos mit Handbürsten und bekannte Melodien wie „La Cucaracha“ mit dem Horn als Intermezzi.
Im Laufe der Show holte der anfangs im Abseits stehende Mäx immer mehr Instrumente aus dem Backstage-Bereich hervor. So begleitete er den sich mittlerweile schon am Rande des Wahnsinns befindlichen Gogol entweder mit dem bereits schon erwähnten Horn, oder auch mit einem Xylophon, bzw. einer Oboe und holte zu einer Etüde von Franz Liszt auch noch eine ganze Reihe Kuhglocken hervor, die er gekonnt und passend zur Melodie schmetterte.
Mittlerweile klebte Gogol seitlich am Flügel fest, weil der Mäx ihm seinen Platz am streitig machte. Höhepunkt dieses gekonnten und völlig überraschenden Platzwechsels war dann, das gemeinsame Spielen von Oben auf dem Klavier liegend, wie das in den Siebzigern regelmäßig von Keith Emerson als verblüffender Show-Akt prkatiziert wurde.
Irgendwie konnte der Mäx den Gogol mit seinem außergewöhnichen Können nicht wirklich überzeugen und holte dann als Krönung noch ein Alphorn hervor, und spielte zur unserem großen Erstaunen gleich daruf beide Instrumente – Alphorn und Klavier – gleichzeitig.
Zum Ende gab es dann noch urwitzige Artistik vom Feinsten, indem Miss Gogol als Seiltänzerin mit einem rosa Rüschenkleid verkleidet über einen ganz besonderen Laufsteg walkte, und der Mäx uns ein weiteres Mal den Emerson markierte, indem er das Klavier seitlich in die Höhe reckte und diagonal von oben nach unten und von unten nach oben spielte. Man hätte diesen beiden Gauklern und exzellenten Musikern noch Stunden zuschauen können, aber wie heißt es so schön: „Man soll immer dann aufhören, wenn es am Schönsten ist!“
Ein besonderes Dankeschön geht zum Schluss auch noch an unseren treuen ANIMUS-KLUB-WETTERGOTT, der am heutigen Tage erst gegen 22.30 Uhr seine Regenschleusen öffnete, also just erst in dem Moment, als wir zu Hause ankamen. Forsetzung folgt!
Bilder: Slawa Kostin, Daniella Kostina und Igor Gerdt
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