„Von der Asylbewerberin zur Rechtsanwältin!“ – Nizaqete Bislimi, die Erste Vorsitzende des Bundes Roma Verband e. V. las anlässlich des Internationalen Tages der Roma aus ihrem authentischen Buch!
Auch 70 Jahre nach dem Holocaust, dem damals rund 90% der Sinti und Roma zum Opfer fielen, wird diese ethnische Minderheit immer noch bei uns in Deutschland diskriminiert. Der Antizinganismus, und die damit verbundene Fremdenfeindlichkeit, sind also präsent wie eh und je, und veranlassen viele Sinti und Roma sich erst gar nicht als solche zu bekennen, sondern ihre Herkunft zu verleugnen oder zu verschweigen.
Gegen diese bestehende Diskriminierung wollte das Dokumentationszentrum für Sinti und Roma in Heidelberg, in Kooperation mit dem Projekt Hd.net-Respekt des Mosaik Deutschland Vereines, sowie den Verantwortlichen der Hilfsorganisation futuRoma aus Stuttgart und des Heidelberger Reisebuchladens ein deutliches Zeichen setzen, und luden zu diesem Zweck die Erste Vorsitzende des Bundes Roma Verband e.V. Nizaqete Bislimi ein, die im letzten Jahr ihr Buch „Duch die Wand“ veröffentlichte, in dem sie ihr Leben als Roma, Kosovo-Flüchtling und Asylantin niedergeschrieben hat.
Nach zwei kurzen Begrüßungsrede von Herrn Emran Elmazi, dem Referatsleiter Dialog des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma, sowie Frau Johannah Illgner der Vorsitzenden des Projektes hd.net-Respekt, fing Nizaqete Bislimi an aus ihrem interessanten Leben zu berichten, und darüber, wie sie es geschafft hat von der Asylbewerberin bis zur Rechtsanwältin aufzusteigen. Dieser Weg war allerdings alles andere als einfach, und unglaublich „Deutsch“, nämlich sehr steinig und mit unglaublich vielen Hürden verbunden. Aufgrund ihrer Karriere ist Nizaqete Bislimi auch ein Paradebeispiel, bzw. ein Vorbild für alle Sinti und Roma, das man trotz seiner Herkunft alles schaffen kann, wenn man nur die nötige Kraft und den Willen dazu hat. Mit diesem Selbstbewusstsein las sie nun aus ihrem Buch vor, das ja sowohl ihre Lebensgeschichte als auch ihr Schicksal so gut wie lückenlos beinhaltet.
Anfang der Neunziger zerbrach das ehemalige Jugoslawien, und wenig später tobte der Krieg in Kroatien, Serbien und Bosnien-Herzegowina. Die Panzer täglich vor Augen, wussten Nizaqetes Eltern, dass der Krieg und die damit verbundene ethnische Säuberung mit Sicherheit nicht vor Mazedonien und dem Kosovo halt machen würden. So verließ Nizaqete zusammen mit ihrer Mutter und ihren vier Geschwistern 1993 in einer Nacht- und Nebelaktion ihr Heimatdorf mit dem schönen Namen Halaç i Vogël. Unterstützt von humanitären Flüchtlingshelfern kam die Familie dann illegal nach Deutschland.
Der Vater konnte sie bei ihrer Flucht damals nicht begleiten. Seine Pässe und Urkunden musste er des Krieges wegen der Serbischen Armee aushändigen, und ohne Papiere hätte er in Deutschland niemals eine Duldung erhalten. So floh die Mutter alleine mit ihren fünf Kindern in ein unbekanntes Land, von dem die Großmutter immer stolz erzählte, dass es dort ein gutes Leben gäbe.
Die Flucht war vor allem für ihren jüngsten Bruder Ferid sehr schlimm, denn er litt spürbar unter der Trennung des Vaters. Auch die große Ungewissheit ihren Vater vielleicht niemals wieder zu sehen, begleitete die Familie tagtäglich.
In Deutschland angekommen, gab es zuerst einmal einen riesigen „Festschmaus“. Bekannte Nizaqetes hatten eine große Tafel mit vielen Speisen für sie gedeckt. An das Essen musste sich die Familie allerdings noch gewöhnen, genauso, wie an das völlig andere Leben und die komplizierte Sprache hier in Deutschland.
Wenig später begannen dann für die Familie die berühmten bürokratischen Schwierigkeiten, verbunden mit vielen Besuchen auf Ämtern. Unzählige und völlig unverständliche Formulare mussten sie fortan regelmäßig ausfüllen, um eine Duldung zu erhalten. Nizaqete, genauso wie ihre ältere Schwester Mihrije, stets in ihrer Heimat im Kosovo Klassenbeste gewesen, setzte sich damals mit 14 Jahren ein ganz entscheidendes und lebenswichtiges Ziel, nämlich, sie wollte so schnell wie möglich die Deutsche Sprache erlernen, um zukünftig alles verstehen zu können, besonders diese unverständlichen Formulare.
Da sie eine sehr gute Schülerin war, und eine gesunde, fleißige Einstellung zum Lernen mitbrachte, war der Schulstart für sie in Deutschland nicht ganz so schwierig wie für andere Asylanten. Nizaqete hatte dann auch ein wenig Glück und fand sehr schnell Freunde, die ihr halfen, sich hier in Deutschland besser zurecht zu finden.
Dennoch trübte ein Schlüsselerlebnis ihr Leben, denn auch sie wurde Opfer des deutschen Antiziganismus, und musste die schmerzhafte Erfahrung machen, dass sie auf dem Nachhauseweg eines Einkaufes von mehreren Jugendlichen mit dem berühmten „Z-Wort“ beschimpft und erniedrigt wurde.
Obwohl sich die Familie jahrelang in der ständigen Abschiebesituation befand, meisterte Nizaqete aufgrund ihrer gesunden Einstellung „Lernen aus Verzweiflung“, bravourös die Schule. Allerdings durfte sie im Anschluss daran keine Ausbildung machen, da sie nur eine Duldung besaß und noch keine Aufenthaltsgenehmigung hatte. So entschloss sie sich ganz mutig dazu in Bochum Jura zu studieren, und hatte auch beim Bestehen des erstens Staatsexamens – man höre und staune – noch KEINE Aufenthaltsgenehmigung (!?!) für Deutschland.
Selbst als Referendarin bewegte sich Nizaqete als „noch“ nicht staatlich anerkannte Person in Reihen der großen Richter. Stolze 13 Jahre Jahre dauerte es bis sie endlich ihre Aufenthaltsgenehmigung in Händen hielt, und damit als Rechtsanwältin offiziell tätig werden durfte. Heute arbeitet sie als Spezialistin für Ausländer- und Asylrecht in Essen, und setzt sich sehr für die Verbesserungen ihrer Landsleute ein, und besonders für die „Kinderduldung“, von der ja immer noch rund „100.000“ Kinder betroffen sind.
Im Anschluss an die Vorlesung konnten die Besucher dann noch das Buch käuflich erwerben und von der Anwältin signieren lassen.
Bilder: Alexander Höfer
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