Islamische Kunst! – Indische Kulturgeschichte und hybride Körper mit bildschönen Moghul-Miniaturen, den berühmten Schlümpfen sowie bekannten Gottheiten und blauen Schildkröten! – Heidelberger Kunstverein präsentierte Werke des weiblichen Kunstbastards Nadira Husain!
Sie selbst bezeichnet ihr künstlerisches Handeln als „Bâtarde“ – als weiblichen Bastard. Nadira Husain. Mit dieser Kunst erschafft sie neue Denkräume, die genauso, wie die aktuellen gesellschaftlichen Normen und Werte hinterfragt werden dürfen. Ihre Ideen und Werke entspringen aufgrund ihrer Herkunft einerseits den islamischen und indischen Traditionen, andererseits sind sie sehr stark von westlichen Einflüssen geprägt. Die Künstlerin erschafft damit etwas, was wir Menschen im realen Leben leider noch nicht wirklich geschafft haben, nämlich das friedvolle Zusammenfügen – die gelungene Integration – von unterschiedlicher kultureller Herkunft in einem Gesamtwerk. Die Kunst ist uns also wieder mal einen weiten Schritt voraus, weil sie frei von Nationalitäten, frei von Religionen und frei von vorgeschriebenen Regeln sowie Verhaltensweisen ist. Vor allem besitzt die Kunst jederzeit die ganz große Freiheit, Gedanken, Gefühle und Fantasien so in einem Gesamtkunstwerk zu verwirklichen wie es der Künstler haben möchte.
Nadira Husain wurde für ihre malerischen Arbeiten in der Kategorie WERK.STOFF ausgezeichnet, was wir auch direkt beim Betreten des Heidelberger Kunstvereins feststellen konnten. Das gewisse „Wow!“ des Erstaunens ging sofort über unsere Lippen, weil wir unschwer erkannten, dass hier ganz besondere Werke von einer ganz besonderen Künstlerin ausgestellt waren. So fielen uns die beiden fantastischen COMIC-TRIP-CURTAINS „Al-borak assis“ und „Al-borak s’envole“, die beide in Acryl auf genähtem Stoff erstellt wurden, sofort ins Auge. Husain verknüpft hier orientalische Mythen gekonnt mit den berühmten Schlümpfen. Die blauen Comic-Stars der Siebziger erstmals in einer ganz anderen Welt, ohne den bösen Gargamel, der sie ständig versucht auszurotten, dafür aber ebenfalls in einer etwas unterdrückenden Haltung.
Das tolle Exponat – „Et un autre oiseau s’avança“, war der nächste Eyecatcher. Wunderschön bemalte und glasierte Keramikfliesen formen eine gleichsam schöne Tierlandschaft zu einem beeindruckenden Quadrat zusammen, das karoförmig ausgestellt war. Das Besondere daran war, dass wir es betreten durften und dadurch ein bisschen genauer untersuchen konnten. So war es möglich die genialen Konturen der Künstlerin genau zu verfolgen und zu verinnerlichen.
Weiter ging es mit der lachenden Schildkröte „Laughing Turtle“ – Hier vermischte die Künstlerin zum ersten Mal orientalisches und westliches Kulturgut miteinander. Kalmakari, also Pflanzenfarbe auf Baumwollstoff sowie Acryl- und Aquarellfarben auf Leinwand und Textil bilden die Grundlage dieser Kunstform, bei der in der Tat ein Wandteppich, der besonderen Art entstand. Gleiches gilt für das Werk „Swim Swim Swim“.
Stets begleitet von blauen Schildkröten – mal Solo, mal als Familie – stand als nächstes Kleidung im Fokus der Ausstellung. „Snake, Turtle, Mouse“, also „Schlange, Schildkröte und Maus“ waren für unsere Mädchen der absolute Fassion-Style schlechthin. Anziehen durften wir die Teile allerdings nicht.
Eine genial gestaltete Vitrine mit dem Titel „ICI, autour de la mer“ begrüßte uns mit blauen dreidimensionalen Händen, ganz so, als wolle sie uns in die Vitrine hineinziehen. Es war schlichtweg großartig mit welchem Ideenreichtum uns die Künstlerin hier verwöhnte.
Im hinteren Teil gab es dann PLASTIC MANZIL vom Feinsten zu sehen, also durchsichtige PVC-Werke. „UHU Lineage – Blue Room Back Side und Kitten’s Room“ nahmen unsere Kids gleich mal genauer unter die Lupe. Dabei konnten sie feststellen, dass bei ihrem Versteckspiel ihre Schatten kurzweilig auch mit dem jeweiligen Kunstwerk verschmolzen. Ein atemberaubender Effekt, den wir so noch niemals erleben durften.
Neben den Werken von Nadira Husain gab es auf der Empore des Kunstvereins begleitend auch noch Skizzenbücher von Amina Ahmed zu sehen, die erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Inspiriert von Mustern, Ritualen des Sufismus sowie den Phänomenen der Natur und des Handwerks, spiegelt ihre Kunst eine batikähnliche Technik wieder. Neben Reprografien auserwählter Arbeiten, gab es ebenfalls einen kurzen Filmausschnitt zu sehen, in dem die Künstlerin die Hände ihrer Mutter zeigte, wie diese mit einer interessanten Knüpftechnik einen Teppich erstellte.
Im Bibliotheksbereich wurden wir abschließend noch einmal fasziniert von der Reproduktion des Werkes „Hamzanama“, einer Leihgabe des MAK Museums Wien. Es handelt sich hierbei um ein Buch, das auf überlieferten Geschichten des neuen islamischen Glaubens basiert. Nadira Husain hat hier eine traumhaft schöne Moghul-Miniaturarbeit zum Besten gegeben, die wir so in dieser Form auch noch niemals gesehen haben.
Wir sagen den Verantwortliche vielen Dank für diese einmaligen Eindrücke, und wir freuen uns natürlich wie immer auf die nächsten Ausstellungen.
Bilder: Alexander Höfer
Diese Berichte könnten euch auch interessieren:
Technoscapes | Utopia | Körperkontaktkunststoffe | I Am Nothing |
[7P] | Dosen Dschungel Rivercola | Gegen Faulheit | Auschwitz |
ANIMUS KLUB
Jede Woche eine neue Bereicherung!
„Hat euch unser Bericht gefallen?“ – Wenn ja, dann freuen wir uns sehr über jedes „Like“ und jede Teilung auf Facebook. Vielen lieben Dank.