Marionettentheater Weiss präsentierte im Kulturhaus RomnoKher das Stück „Geschichten, die das Leben schrieb!“, und setzte damit ein Zeichen gegen die Diskriminierung von Sinti und Roma!
Antiziganismus, dieser Begriff ist vielen Menschen im Gegensatz zum Antisemitismus überhaupt nicht bekannt, so David Weiss vom Kulturzentrum RomnoKher in seiner Begrüßungsrede. Dabei waren die Sinti und Roma nach den Juden, die zweitgrößte ethnische Minderheit, die im Zweiten Weltkrieg von den Nazis verfolgt und in den Konzentrationslagern vernichtet wurde. 90% der damals lebenden Sinti und Roma verloren dabei ihr Leben.
In seiner Rede informierte David Weiss aber nicht nur über die Historie der „Zigeuner“, sondern er machte die Besucher auch auf die aktuelle Lage der Sinti und Roma aufmerksam, die heute über weite Teile Europas verstreut leben.
Diskriminierung und Ausgrenzung sind heute immer noch im Alltag sichtbar und spürbar, so Weiss, genauso wie die Klischees und Vorurteile noch vorhanden sind. Herablassende Redewendungen wie zum Beispiel: „Hier sieht es ja aus, wie bei den Zigeunern!“, oder, wenn etwas gestohlen wurde die Bemerkung: „Das waren bestimmt die Zigeuner!“, tragen ebenfalls nicht wirklich dazu bei, dass diese Vorurteile oder schnellen Vorverurteilungen abgebaut werden können.
Das schwere Verbrechen der Nazis an den Sinti und Roma wurde aber erst 1982 vom damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt anerkannt. Seit dieser Zeit leben über 6,5 Millionen Sinti und Roma überall in Europa verteilt. Die meisten von Ihnen, rund zwei Millionen, in Rumänien, 750.000 in Bulgarien, 700.000 in Serbien und 600.000 in Ungarn. In Deutschland wohnen derzeit ca. 120.000 Sinti und Roma.
RomnoKher, das Haus für Bildung, Kultur und Antiziganismusforschung bietet hier einen Raum für Begegnungen, sowie die Möglichkeit des Austausches zwischen Minderheiten und Mehrheiten, und die Verantwortlichen wollen mit Veranstaltungen im künstlerischen und musischen Bereich zwischen der Zivilgesellschaft und den Angehörigen der Sinti und Roma Brücken bauen. Das Wort „Zigeuner“ ist ja nicht nur negativ behaftet, sondern wir assoziieren mit diesem Wort auch einen fröhlich singenden und musizierenden Spielmann, ein feierlich tanzendes Volk, sowie würzig schmeckende Paprikaspeisen.
Im Rahmen der aktuellen Ausstellung „Typisch Zigeuner“, wollte David Weiss zusammen mit seinem seit 1840 bestehenden Marionettentheater ein positives Zeichen gegen die Diskriminierung von Sinti und Roma setzen, und führte zu diesem Zweck am heutigen Abend zusammen mit zwei weiteren Puppenspielern das Stück „Geschichten, die das Leben schrieb“ auf.
Begleitet von rumänisch-ungarischer Klassik, die jeweils zwischen den Akten erklangen, öffnete und senkte sich jeweils der Vorhang der märchenhaft beleuchteten Bühne, auf der gleich darauf die Akteure – sehr schöne und von Hand geschnitzte Marionetten – in Erscheinung traten. Zunächst der Großvater zusammen mit seiner Tochter in der einfachen Wohnstube. Die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern muss gleich arbeiten gehen, und bittet ihren Großvater sich um seine beiden Enkel zu kümmern. Der Großvater, der seine Frau und seine sieben Geschwister in Auschwitz-Birkenau verloren hat, lebt seit Jahren alleine und freut sich sehr darüber seine Enkel heute betreuen zu dürfen.
Die beiden Kinder, die wenig später das Wohnzimmer betraten, machten den Großvater darauf aufmerksam, dass es an ihrer Schule immer noch viele Kinder gäbe, die sie nicht leiden könnten, und große Vorurteile gegenüber ihnen haben. „Die Romas stinken, sind faul und stehlen!“, waren nur ein paar dieser Vorurteile.
Mittags, die Mutter ist wieder zurück von der Arbeit und gerade in der Küche beim Kochen, kommen die beiden Enkel ganz bestürzt von der Schule nach Hause, und berichten ihrem Großvater über die traurige egebenheit, dass ihre deutschen Klassenkameraden einen neuen Mitschüler – einen syrischen Flüchtlingsjungen – ganz heftig erniedrigt hätten, weil er noch nicht richtig Deutsch konnte. Dabei besuchte er in seiner Heimat ein Gymnasium, und war der beste Schüler seiner Klasse. Keiner hätte ihm geholfen, alle hätten nur dagestanden und zugesehen, so die beiden Kinder. Nur sie hätten dem Jungen in seiner Hilflosigkeit beigestanden und ihn verteidigt.
Das Marionettentheater Weiss machte hier in diesem Dialog auf ein ganz klassisches und sehr großes Problem des Zusammenlebens in Deutschland aufmerksam, nämlich auf die Ausgrenzung von Mitmenschen, und das diese, selbst schon bei den Kleinsten – also in der Grundschule – sehr gut funktioniert.
Stolz lobte der Großvater seine Enkel für diese Solidarität, und fing an ihnen die Geschichte vom Raben und dem Wolf zu erzählen. Diese lebten zusammen in einem Wald, konnten sich aber nicht wirklich leiden, weil sie beide verschieden waren. So stritten, provozierten und beleidigten sich die beiden Tiere tagtäglich gegenseitig, bis sie einen so großen Hass auf sich hatten, dass sie sich gegenseitig ignorierten.
Eines Tages bemerkte der Rabe, dass der Jäger des Weges kam, und überlegte, ob er den Wolf warnen sollte. Er überlegte hin und her, und wog dabei sowohl das „Für“ als auch das „Wider“ sorgfältig ab. „Sollte er den Wolf warnen, und dann weiter in Angst leben und sich mit ihm ständig streiten, oder sollte er den Wolf seinem Schicksal überlassen, denn wenn sein Widersacher morgen tot wäre, dann gehörte ihm ja der ganze Wald alleine (?!)“
Wie sich der Rabe entschied, das möchten wir euch nicht verraten. Das könnt ihr am 25. Juni 2016 in der Mannheimer Stadtbibliothek live miterleben. Mehr Informationen über dieses Thema findet ihr unter folgender Webseite: Romnokher Mannheim
In der anschließenden Ausstellung gab es dann noch sehr viele wichtige Informationen über die Sinti und Roma in allen Lebensbereichen – Bildung, Familie, Gastronomie, Literatur, Musik, Technik und Wissenschaft etc. – zu erfahren, und für die Interessierten auch ein Blick hinter die Kulissen des Marionettentheaters, bei dem sie auch einmal die Marionetten ausprobieren konnten.
Bilder: Alexander Höfer
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