Atlantis-Kino zeigte anlässlich des 60. Jahrestages des Anwerbeabkommens italienischer Gastarbeiter den Film „Freundschaften“ von Mario di Carlo!
„Freundschaften! – Warum gerade Freundschaften? – Warum sind Freundschaften wichtig für die Integration? – Und gibt es überhaupt wahre Freundschaften? – Und wenn ja, was sind die wichtigsten Kriterien dafür?“
Der Mannheimer Dokumentationsfilm „Freundschaften – Kommen um zu bleiben“ von Mario di Carlo beleuchtet dieses Thema einmal aus der Sicht der Gastarbeiterfamilien, bzw., aus der Sicht von Angehörigen, deren Eltern als Gastarbeiter in den Sechziger Jahren zu uns nach Deutschland kamen.
Nach einer kurzen Rede von Herrn Fatih Ekinci, dem aktuellen Pressesprecher des Integrationsministeriums Baden-Württemberg und einiger Begrüßungsworte von Claus Preißler, dem Beauftragten für Integration und Migration der Stadt Mannheim, öffnete sich der rote Vorhang der Atlantis-Kinoleinwand.
Nachdenklich, sehr nachdenklich beginnt der Film mit den Worten: „Ich habe in Deutschland viele Freunde, aber nur ganz wenige wirklich RICHTIG gute Freunde!“ des lebenserfahrenen Doktoranden Fridolin Scheuerer, der damit unweigerlich auch die Tür zu dem sehr diskussionswürdigen Thema „Was ist eigentliche wahre Freundschaft, und welche Tugenden gehören für eine solche unweigerlich dazu?“, ganz weit öffnete.
Im Laufe des Filmes erfahren wir dann sehr viele Eindrücke, Gefühle und Gegebenheiten, die wir bereits schon in unseren Artikeln zu den Demonstrationen „Mannheim sagt JA!“ und „Ludwigshafen ist BUNT“, bzw., der Buchpräsentation von „BUNT braucht keine Farbe“ erwähnt haben, nämlich dass die Deutschen eine sehr kalte und verschlossene – (vorsichtige/stets skeptische) – Mentalität besitzen, und dass es dadurch für ausländische Menschen nicht gerade einfach ist, Freundschaft mit Deutschen Menschen zu schließen, besonders dann nicht, wenn auch noch zusätzlich sprachliche Barrieren im Weg stehen.
Die drei Italiener – Sebastiano Micepisopo, Pietro Terrazino und Umberto Macchina, die heute beim Mannheimer Polizeisportverein regelmäßig ihr Boccia-Kugeln werfen, erwähnten in diesem Zusammenhang auch, dass die Integration der Ausländer bis in die Achtziger Jahre hinein nicht wirklich gut funktioniert hat, weil die ausländischen Mitbürger hauptsächlich nur als Arbeitskräfte betrachtet wurden, und soziale Kontakte unter den Deutschen auch aufgrund fehlender Sprachkenntnisse entweder überhaupt nicht, oder so gut wie nie stattgefunden hätten. Sebstiano Micepisopo zitierte in diesem Zusammenhang das Italienisches Sprichwort: „Der Deutsche ist nur so lange dein Freund, solange du mit ihm an einem Tisch sitzt und isst“ – und er fügte hinzu, dass er dieses Zitat häufig am eigenen Leibe zu spüren bekam.
„Heute war ich für meine Mitmenschen/Kollegen interessant, aber bereits am anderen Tage machten die gleichen Menschen einen ganz großen Bogen um mich herum, oder beachteten mich nicht mehr wirklich, so als ob sie mich nicht kennen würden.“
Auch wir haben bereits in mehreren Berichten auf diesen zwischenmenschlichen Missstand aufmerksam gemacht, und dabei erwähnt, dass nicht nur Ausländer, sondern auch Deutsche, in allen Bereichen unserer Gesellschaft, egal, ob in der Arbeitswelt, in der Schule oder in der Freizeit, nur dann akzeptiert und anerkannt werden, wenn sie eine bestimmte Leistung erbringen, oder wenn sie Fähigkeiten besitzen, von denen die Deutschen entweder persönlich oder finanziell profitieren können.
Dieses vermeintliche Dogma, dass man in unserer Gesellschaft in erster Linie nicht als Mensch akzeptiert und anerkannt wird, sondern häufig nur dann, wenn man entweder die erforderliche Leistung erbringt, oder eben sehr viel Geld besitzt, erschwert natürlich ebenfalls die Integration von Ausländern um ein Vielfaches, und damit gleichzeitig auch das Finden von richtigen deutschen Freunden.
So war es nicht verwunderlich, dass die Italiener damals zum Beispiel viel mehr spanische und griechische Freunde hatten, als Deutsche, und die anderen ausländischen Gruppierungen ebenso. „Aber ist das nicht heute immer noch genauso?“ – „Ist es nicht immer noch so, dass jeder Ausländer, der hier in Deutschland lebt, oder einen Migrationshintergrund besitzt, sowohl im privaten Leben, als auch auf seinem Facebookprofil mehr Landsleute oder Ausländer zu seinen Freunden zählt, im Schnitt sogar zwischen 80% und 90% mehr als Deutsche Freunde besitzt?“ – „Gibt es wahre Freundschaft unter den Deutschen überhaupt? – Oder anders gefragt, kann es in einer Gesellschaft, in der jeder besser sein muss, wie sein „bester Freund“, eigentlich überhaupt wahre Freundschaft geben?“
Auch der Amerikaner Larry Scavone, der jahrelang auf Benjamin Franklin stationiert war, machte deutlich, dass es nicht einfach war zu deutschen Menschen Kontakt aufzubauen, geschweige denn freundschaftliche Bände zu knüpfen. Einen Hauptgrund dafür sieht er darin, dass die Deutschen bei Weitem nicht so offen wären, als die Amerikaner, die ja ihre Gäste in der Regel mit offenen Armen und als Freunde empfangen. Es dauerte Jahre, bis er die ersten deutschen Bekannten hatte, und noch viel länger, bis er die ersten richtigen deutschen Freunde finden konnte.
Wie Freundschaft richtig geht, oder wie sie eigentlich funktionieren sollte, machten uns wieder einmal die Kinder vor, die wesentlich weniger Vorbehalte, Vorurteile oder Berührungsängste im Umgang mit ihren gleichaltrigen ausländischen Kassenkameraden haben, und daher auch viel befreiter und unbefangener mit der ganzen Situation umgehen können. „Er ist mein Freund, weil er ein toller Spielkamerad ist!“, oder „Das Spielen mit ihm macht einfach riesigen Spaß, weil er lustig ist, und auch nicht so schlimme Wörter sagt und Zeichen macht.“
Das monumentalste Zitat dieses Filmes, bzw. die treffendste Botschaft für wahre Freundschaft in Richtung der Erwachsenen, kam ebenfalls von den Kindern: „Mein bester Freund mag zum Beispiel keinen Pfannkuchen mit Schokolade. – Ich mag Pfannkuchen mit Schokolade aber sehr! – Deshalb ist er trotzdem noch mein bester Freund!“
Es scheint also so, dass heute, 60 Jahre später, zumindest bei den Kindern ein neues Bewusstsein vorhanden ist, um ausländische Menschen besser in unsere Gesellschaft zu integrieren, oder zumindest anzuerkennen, wobei die Frage, die wir in unserem Bericht über die Demonstration „Mannheim sagt JA!“ aufgeworfen haben, nämlich, ob es überhaupt möglich ist, Menschen in eine Gesellschaft zu integrieren, die ihre eigenen Kinder bereits schon in der Grundschule aussortiert, nach wie vor unbeantwortet blieb.
Im Anschluss an den Film gab es noch eine knapp 30-minütige Talkrunde an der der Regisseur Herr Mario Di Carlo zusammen mit Frau Aurora Rodonà (Kulturschaffende und Migrationsforscherin), Giuseppe Petruzzelli (Konsularkorrespondent) Nina Alerić (Mitglied des Migrationsbeirates), Miguel Angel Herce (Vorsitzender des Migrationsbeirates) und als Moderatorin Frau Dr. Maria Alexopoulou sich den im Film aufgeworfenen Fragen stellen, und auch das Publikum kurz zu Wort kommen ließ.
Bilder: Alexander Höfer
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