Smartphones machen Kinder dumm! – Smartphones machen Kinder krank! – Und Smartphones machen Kinder süchtig! – Der Ulmer Psychiater und Hirnforscher Manfred Spitzer präsentierte im DAI die dunkle Seite des Handys!
Das Smartphone. Das kleine, spielzeugähnliche und wundersam leuchtende Etwas. Noch niemals zuvor in der Geschichte hat ein „Spielzeug“ uns Menschen und insbesondere die Kinder so fest in seinen Bann gezogen, und uns so vom Lernen abgehalten. Das Smartphone hat zudem den Fernseher als führendes Medium abgelöst. Bis zu neun Stunden (!) täglich verbringen Jugendliche in Amerika und Korea vor diesem Teil, und blenden dabei mehr oder weniger den Alltag um sie herum vollständig aus. Die Folgen davon sind allerdings fatal, sowohl für die Gesundheit, als auch für die Bildung, die soziale Kompetenz und die Empathie.
„Wissen Sie eigentlich was 6C 51 ist?“, so die Frage von Jakob J. Köllhofer dem Direktor des DAI zu Beginn der Veranstaltung. Was sich fast wie eine Adresse in den Mannheimer Quadraten liest, ist die Bezeichnung für die Computerspielsucht, die seit einigen Monaten offiziell als Krankheit anerkannt ist. Computerspielsucht ist vergleichbar mit Alkohol- und Drogensucht. Sie verursacht nicht nur die gleichen Entzugserscheinungen, sondern sie aktiviert auch die gleichen Hirnregionen, wie uns Manfred Spitzer gleich darauf in seinem Vortrag deutlich vor Augen führte.
So ging der Psychiater und Gehirnforscher zunächst einmal auf die körperlichen Folgen einer zu hohen Smartphone-Nutzung ein. Neben Haltungsschäden, Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck, ist bei Kindern vor allem Kurzsichtigkeit eine wesentliche Folge. Das liegt vor allem daran, dass das Auge der Kinder noch nicht entwickelt ist, und dass der Blick generell – nahezu fix – auf eine kurze Distanz gerichtet ist. Derzeit sind in Europa 30% der Menschen kurzsichtig. Während früher noch zu vieles Lesen bei Kindern zu einer Kurzsichtigkeit führte, ist es heute der überhöhte Konsum des Smartphones. In Korea – dem Smartphone-Land schlechthin – sind bereits 95% der Menschen kurzsichtig. In China sind es 80%.
Die zu hohe Nutzung des Smartphones führt zudem bei Kindern zu Schlafstörungen, besonders dann, wenn sie sich vor dem Schlafengehen noch intensiv mit dem Gerät beschäftigen. Das hat nämlich unmittelbar zur Folge, dass Lerninhalte beim Schlafen nicht richtig verarbeitet werden können. Aus den Studien geht hervor, dass sich die Schlafzeit drastisch bei ansteigender Nutzungsdauer reduziert. Also, je länger sich Kinder sich mit ihrem Smartphone beschäftigen, desto unausgeschlafener und unfitter sitzen sie am Morgen danach in der Schule.
Die Nutzung des Smartphones kann also schnell zur Sucht werden. Genauso wie bei anderen Suchtmitteln gilt: „Die Dosis macht das Gift!“.
Das heißt aber auch im Umkehrschluss. Wir, die Erwachsenen, insbesondere die Politiker, aber auch die Lehrer, Sozialpädagogen und Erzieher müssen in erster Linie Verantwortung übernehmen und diese Problematik viel ernster nehmen, als bisher geschehen. Vor allem müssen wir viel genauer hinschauen, um unsere Kinder vor den negativen Einflüssen und Gefahren dieses bequemen Mediums zu schützen.
„Würden Sie ihrer 12-jährigen Tochter erlauben nachts auf die Reeperbahn zu gehen und sich dort nackt zu präsentieren?“ – Nein natürlich nicht, aber auf ihrem Handy kann sich ihre Tochter zu jeder Zeit einen Hardcore-Porno reinziehen, oder gewaltverherrlichende Filme anschauen.
Laut einer Pressemeldung der DAK sind aktuell bereits 450.000 Kinder im Alter zwischen 12 und 17 Jahren Computerspielsüchtig. 2,5 Millionen bewegen sich derzeit ebenfalls auf dem Weg zum Risiko-Gamer. Es wäre also höchste Zeit etwas zum Schutze unserer Kinder zu unternehmen.
Korea ist hier weltweit das einzige Land, das in diesem Bereich Gesetze zum Schutz für Kinder auf den Weg gebracht hat. So können Kinder nicht mehr bis nachts in die Puppen mit ihrem Handy zocken oder chatten. Und wenn eine bestimmte Nutzungszeit überschritten wird, erhalten die Eltern automatisch eine Benachrichtigung vom Provider sich mehr um ihre Kinder zu kümmern.
„Sich kümmern, und für seinen Nächsten da sein!“ – Die weltweiten Studien zeigen auch, dass insbesondere die Empathie durch einen hohen Smartphone-Konsum drastisch abnimmt. Parallel dazu steigen sowohl die Gleichgültigkeit für die Umwelt, die persönliche Unzufriedenheit, aber auch Ängste, Depressionen und Suizidgedanken drastisch in die Höhe. Manfred Spitzer referierte über diese Themen bereits ausführlich im letzten Jahr bei seiner Präsentation „Einsamkeit“.
Den größten Kollateralschaden richtet die Digitalisierung allerdings im Lernbereich aus. Hier machte Prof. Spitzer explizit darauf aufmerksam welche katastrophalen Folgen entstehen können, wenn bereits Kleinkinder und Kindergartenkinder mit dem Handy spielen. Die Frühkindliche Phase ist eigentlich dazu da, damit ein Kind während des Spielens und Ausprobierens sämtliche grundmotorische Fähigkeiten entwickeln kann. Bis zum sechsten Lebensjahr sollte die Feinmotorik der Finger so ausgeprägt sein, dass das Kind Gegenstände fest in der Hand halten oder führen und bewegen kann. Diese Fähigkeiten werden natürlich durch ein streichen über einen Bildschirm nicht entwickelt oder extrem eingeschränkt. Der Zenit der Verdummung stellt derzeit ein Baby-Töpchen mit eingebautem Tablett dar, ganz nach dem werbewirksamen Motto: „Wenn das Kind etwas länger auf dem Töpchen sitzt, dann kann es auch noch etwas lernen!“ – nämlich im wahrsten Sinne des Wortes „Scheiße!“
Der Unterschied zwischen einem Unterschichtkind und einem Oberschichtkind ist ohnehin schon sehr groß, denn er beträgt bei Schulbeginn bereits insgesamt 3 Millionen Wörter, auch deshalb, weil Eltern der Unterschicht nicht nur weniger mit ihren Kindern reden, sondern auch mit einem wesentlich eingeschränkteren Wortschatz kommunizieren. Nun gesellt sich zu diesem Dilemma auch noch die Nichtentwicklung der Sensorik hinzu.
Obwohl alle Studien – weltweit – und es gibt keine einzige, die das Gegenteil belegt – beweisen, dass der Einsatz von digitalen Medien in der Schule die Leistungen der Schüler drastisch verschlechtert, stellt unsere Bundesregierung fünf Milliarden Euro für die Digitalisierung der Schulen zur Verfügung. (?!?) Die Studien zeigen weiter, dass durch den Einsatz digitaler Medien insbesondere die schwachen Schüler noch schwächer werden. Alle Länder, die in den letzten fünf Jahren enorm in den digitalen Fortschritt investiert haben, fielen in der PISA-Studie deutlich ab. Selbst sogar die Spitzenländer aus Skandinavien – Finnland, Schweden und Norwegen – mussten genauso wie Australien enorme Rückschläge hinnehmen. Australien hat hier sofort und absolut konsequent reagiert und die komplette digitale Technik wieder entfernt.
Anstatt fünf Milliarden Euro für zukünftigen Elektroschrott auszugeben, wäre es wesentlich sinnvoller für dieses Geld Lehrer einzustellen, um so dem hohen Unterrichtsausfall vorzubeugen zu können.
Ob sich dieser Wunschgedanke von Manfred Spitzer erfüllen wird, wagt unser erster Vorsitzender Alexander Höfer allerdings sehr stark zu bezweifeln, zum einen deshalb, weil die Politik in erster Linie wirtschaftliche Interessen verfolgt, zum anderen auch deshalb, weil leider sehr viele sozialpädagogische Kollegen die Ausführungen Manfred Spitzers als unnötige Panikmache und billigen Populismus ansehen, und so die eigentlichen Gefahren und Problematiken ignorieren.
So können wir wahrscheinlich nur darauf hoffen, dass unsere Kinder selbst auf den Trichter kommen, das Smartphone zukünftig nur noch zum Telefonieren zu nutzen, und sich stattdessen alternativ wieder mehr mit ihren Freunden zu treffen, Sport zu treiben, Rad zu fahren, interessante Veranstaltungen zu besuchen, oder vielleicht sogar, anstelle des Bestehens irgendwelcher Levels, ein Goldenes Sportabzeichen abzulegen.
Bilder: Alexander Höfer
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