Ein hüpfender Stein, eine weglaufende Hecke und die schönste Überraschung meines Lebens! – Ungarischer Dorfdackelmischling erlebte in seiner Heimat zwei Wochen lang ganz tolle Abenteuer!
Ich hatte schon wieder die schlimmsten Befürchtungen, als ich sah, wie mein Herrchen vor knapp drei Wochen seine Sporttaschen packte und auch sein Kamerastativ reisefertig machte. „Oh, NEIN, jetzt lässt er mich schon wieder allein!“, dachte ich, während ich ihm dabei zuschaute wie er nach und nach die Taschen sorgfältig in seinem Auto verstaute. Mit traurigem Blick musterte ich jede seiner Bewegungen, und so fiel mir auch überhaut nicht auf, dass meine Lieblingsspielzeuge nicht mehr an ihrem gewohnten Ort waren. Wenig später machten wir dann unseren frühmorgendlichen Spaziergang durch die Nußlocher Sauwiesen. „So jetzt heißt es bestimmt gleich Abschied nehmen!“, dachte ich, als ich sah, wie mein Herrchen nun auch die letzte Tasche zu seinem Auto trug. „Nah, mein Guter? – Willst du nicht mit mir mitkommen?“, fragte er mich plötzlich.
„Was? – Ich darf mitkommen!“ … „Hab ich das gerade richtig gehört?“ – „Ich darf tatsächlich mitkommen?!?“ Diese Nachricht haute mich fast vom Sockel, und ich fing vor Freude wie wild an zu bellen und mit meiner Rute zu wedeln. „Oh, ist das toll. Vielleicht fahren wir ja wieder nach Frankreich, dann kann ich ja erneut diese tollen exquisiten Köstlichkeiten wie zum Beispiel – Velouté d’Asperge – oder – Pâté en croute et crudités – und natürlich auch die sensationell gute – Bouchée à la Reine avec Légumes et Riz – essen“, dachte ich als ich um 4.30 Uhr ins Auto hüpfte und prompt meine Lieblingsspielzeuge und auch mein Lieblingskissen wiederfand.
Danach begann allerdings eine sehr lange Reise, und schon nach gut zwei Stunden wusste ich, dass wir mit Sicherheit nicht nach Frankreich fuhren. Nur wohin, das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Bei unserem ersten größeren Halt in Haag am Hausruck stieg mir dann bei unserem Spaziergang ein wohlfühlsamer Duft aus Alpenveilchen, Germknödel und Salzburger Nockerl in die Nase. Obwohl ich am Liebsten sofort die komplette Umgebung ausgekundschaftet hätte, bat mich mein Herrchen, gleich nachdem ich meine Geschäftchen brav erledigt hatte, wieder einzusteigen, um weiterfahren zu können. Österreich hieß das Land, durch das wir jetzt fuhren. „Österreich, wo um alles in der Welt hatte ich diesen Namen schon einmal gehört?“ – Aber so sehr ich auch überlegte, mir wollte es einfach nicht einfallen. Dennoch hatte ich aber irgendwie das Gefühl, dass ich irgendwann vor ganz langer Zeit schon einmal hier gewesen war.
Bei unserem zweiten Halt in Bruck an der Leitha, durfte ich dann eine etwas holprige Graswiese genauestens durchschnüffeln. Dabei nahm ich plötzlich einen, wenn auch sehr dezenten, aber dennoch unglaublich vertrauten Heimatduft aus Gulasch, Mais und Paprika wahr. „Fahren wir vielleicht nach Ungarn?“, überlegte ich, und hüpfte gleich darauf mit einer gewissen Vorfreude in das Auto meines Herrchens. Bereits zwanzig Minuten später wurde aus meiner Vermutung Gewissheit, nämlich als Alexander an der Grenze eine Vignette für Ungarn kaufte.
„Wir waren also tatsächlich in Ungarn!“ Irgendwie konnte ich mein Glück noch kaum fassen. Ich war in meinem Heimatland. Gut zwei Stunden später hielt mein Herrchen dann zuerst in einer ziemlich düstern Budapester Straße an, und brachte einem Kindergarten, der sich dort um obdachlose Kinder kümmert, zwei riesige Kleidersäcke von den Fibis als Geschenk vorbei. Irgendwie hatte jetzt nicht nur mein Herrchen, sondern auch ich ein bisschen Hunger, und so machten wir wenig später erneut eine kurze Pause bei einem Restaurant, das sich „Burger King“ nannte. Hier aß ich zum allerersten Mal in meinem Leben einen Hamburger.
Frisch gestärkt, aber immer noch etwas hungrig, fuhren wir weiter. Mittlerweile waren wir schon gut 10 Stunden unterwegs. „Wo um alles in der Welt fährt Alexander bloß hin?“, und wieder durchfuhr mich ein Gefühl der Vorfreude. „Wir werden doch nicht in mein Heimatdorf Györgytarló fahren?“ Vor lauter Aufregung konnte ich jetzt kaum mehr stillsitzen, und lief auf der Rückbank ständig von links nach rechts.
Drei Stunden später durfte ich dann tatsächlich den großen Hof betreten, indem ich vor gut sieben Jahren gelebt habe. „Mein Herrchen ist also tatsächlich mit mir nach Györgytarló gefahren!“ Überwältigt von meinen Emotionen wusste ich in diesem Moment überhaut nicht, wie, oder was ich bellen sollte. Ich war buchstäblich „baff“. Schnell ließ ich meine Blicke über den Hof schweifen und stellte fest, dass sich so gut wie fast gar nichts verändert hatte. Alles war noch genauso, wie ich es in Erinnerung hatte. Da war der große Baum, der direkt vor der Eingangstüre stand, und den ich früher beinahe täglich sehr gerne begossen habe. Auch die Hecken von den Mudróczkis waren noch da. Ja selbst sogar die Wiese vor dem Fußballplatz gab es noch. Spätestens jetzt schwebte ich im siebten Himmel, weil ich mich schon darauf freute, ab sofort wieder die vielen Maulwurfhügel auf der Rasenfläche markieren zu können. Auch unsere Wohnung hatte sich kaum verändert. Der kleine Vorraum und die schönen bunten Türen. Ja selbst sogar mein Freund „Brazil“ der Bürgermeister war da, und freute sich riesig über unsere Rückkehr. „Jetzt müssen wir bestimmt gleich einen Willkommens-Schnaps trinken“, dachte ich, und war gerade dabei mein altes, neues Revier genauer zu erkunden, als auch schon ein Mann, den ich bis dato noch nicht kannte, auf uns zukam, und uns ein großes Glas Schnaps einschenkte. Regelrecht aufgebracht darüber, endlich wieder in meinem ruhigen aber sehr lebendigen Heimatdorf zu sein, konnte ich in dieser Nacht kaum ein Auge zumachen.
Bereits um 5.30 Uhr wollte ich Gassi gehen, was mein Herrchen auch ganz gut verstehen konnte. Ihm ging es offenbar ähnlich. Als erstes liefen wir um das Fußballstadion herum, und dann bei den Szabós vorbei. Ein wuschliger Hund, den ich nicht kannte, oder an den ich mich nicht mehr erinnern konnte, bellte uns irgendetwas Unverständliches entgegen. An den ersten beiden Tagen hatte ich noch ziemlich große Verständigungsschwierigkeiten. Die Ungarischen Hunde bellen nämlich viel lauter und viel länger als die Deutschen, und eine Kostprobe davon, bekamen wir gleich darauf, als wir bei den Geráks vorbeiliefen. Vier Hunde in meiner Größe bellten wie die Verrückten, und machten einen so ohrenbetäubenden Lärm, dass sehr viele Bewohner des fünf Kilometer entfernten Nachbardorf Kenézlő mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ihre Fenster schließen mussten, um sich normal weiter unterhalten zu können. „Mein Gott sind das ein paar Chaoten, und an denen muss ich jetzt vorbeilaufen…!“, sagte ich innerlich zu mir. Doch gleich darauf bewahrheitete sich zu meiner großen Überraschung unser Deutsches Sprichwort: „Große Klappe, nichts dahinter!“ denn als ich näher kam, zogen die vier „Radautüten“ regelrecht ihren Schwanz ein und „verpissten“ sich schneller als sie gekommen waren.
An unserem ersten Tag war wirklich alles unglaublich aufregend. Ich lernte die Familie Fazékas – Mama Timi und Papa Zsolt mit ihren vier Kindern Bálint, Viktor, Zsolt und Balázs kennen, sowie den Collie Lessie. Außerdem bekam enorm viel zu essen, und viele alte Freunde von früher kamen zu Besuch. Sie alle wollten mich wiedersehen. Irgendwie fand ich das richtig toll, denn jeder von ihnen brachte mir irgendetwas Leckeres mit. „Ja, die ungarischen Menschen, aber vor allem die Kinder vergessen dich nie, vor allem dann, wenn sie dich sehr sehr gerne hatten!“ Diese Dankbarkeit bekam ich heute das erste Mal so richtig zu spüren, denn ich bekam zum Abendessen drei Teller „Fleischsuppe mit Nudeln“ und jede Menge schmackhafte Bauernwürste.
Auch am zweiten und am dritten Tag herrschte ein reges Treiben bei uns zu Hause. Unzählige Gemeindearbeiter kamen vorbei, weil wir einen Wasserrohrbruch zwischen dem Kindergarten und unserer Wohnung hatten. So hatten wir auch zwei Tage kein Wasser. Hin und wieder fiel auch der Strom für kurze Zeit aus. Aber das tat der guten Stimmung unter den Menschen überhaupt keinen Abbruch, denn das gehört hier irgendwie zum Leben dazu. Man hilft sich gegenseitig. Und überhaupt, die Hühnersuppe schmeckte an diesem Tag im Dunkeln genauso gut wie bei Tageslicht. Von daher, war mir das völlig egal.
Am nächsten Tag hatte ich das erste Mal die Gelegenheit unseren Garten etwas genauer zu inspizieren. Hier passierte plötzlich etwas total Lustiges. Ich schnüffelte gerade an den Blumen, als mir plötzlich ein Stein direkt über die Nase hüpfte. „Huch, was war das denn?“, sagte ich zu mir, als er ein weiteres Mal in die Höhe sprang und einen riesigen Satz vorwärts machte. „Was zum Teufel war das?“ Spätestens jetzt hatte dieses komische Ding meine Neugier geweckt, und ich wollte unbedingt herausfinden, was das war. Schnell flitze ich dem Teil hinterher. Aber dieser Stein, war gar nicht so doof, wie er aussah, denn gerade als ich ihn erreicht hatte, um ihn mit meiner Pfote zu berühren, hüpfte er abermals weg. „Verdammt, bleibst du wohl hier, du dummes Ding! Ich will doch nur wissen, wer du bist“, bellte ich wütend, und bemerkte dabei überhaupt nicht, dass sich Alexander und die vier Kinder der Fazékas’ köstlich über mich amüsierten, weil es mir nicht gelang diesen Frosch zu fangen. Wir hatten wirklich einen wunderschönen Nachmittag zusammen.
Tags darauf gab es bei „Brazil“ dann ein riesiges Schlachtfest. Dafür wurden zwei große Schweine geschlachtet und zu köstlicher Bauernwurst und Hurka verarbeitet. Allein, wenn ich jetzt beim Schreiben daran denke läuft mir schon das Wasser im Munde zusammen. Ich kann euch gar nicht sagen, wie gut das schmeckte. Aber eines weiß ich genau. Wenn sich ein Restaurant „King“ nennen darf, nur weil es kleine Fertigfleischstücken zu Hamburgern verarbeitet, dann müssen der Bürgermeister und seine Freunde „heilig gesprochen“ werden, denn gegen diese großartigen Köstlichkeiten ist dieses „Fast-Food-Restaurant“ wirklich nur ein ganz kleines Würstchen.
Am Ostersamstag besuchten wir zusammen mit einigen Dorfkindern Onkel Józsi und Tante Juliska. „Was wir hier wohl machen werden?“, fragte ich mich, als wir den kleinen Hof der Baloghs betraten. „Ah! Vielleicht spielt Onkel Józsi ja ein bisschen Fußball mit mir, oder ich darf hinten in seinem Garten ein paar Hühner jagen?“, scherzte ich, und begann die verlockend gelbe Osterglocke vor mir ganz intensiv zu beschnüffeln.
Ich war gerade dabei den Duft ganz intensiv in mich aufzunehmen, als Onkel Józsi die Tür zu seinem Garten aufmachte. Im ersten Moment konnte und wollte ich meinen Augen eigentlich überhaupt nicht trauen, denn da stand plötzlich jemand, den ich niemals geglaubt hätte wiederzusehen, nämlich meine Mama. „Kann das sein? Ist das wirklich meine Mama?“ Ich war buchstäblich sprachlos. Aber es war wahrhaftig meine Mama, die dort im Hof stand, und offensichtlich genauso überrascht war wie ich. Vorsichtig kam sie auf mich zu, um mich zu begrüßen. Sie humpelte ein wenig, weil sie sich tags zuvor an der Pfote verletzt hatte.
Mein Gott ich kann euch gar nicht sagen wie aufgeregt ich in diesem Moment war. Meine Emotionen schwappten wenige Sekunden später regelrecht über vor Euphorie und mein Herz raste so schnell, wie noch niemals zuvor in meinem Leben. Aufgrund meiner überschäumenden Freude, rannte ich gleich darauf durch Onkel Józsis Garten. Dabei scheuchte ich leider sämtliche Hühner auf, die vor Schreck lautstark gackernd in alle Richtungen davon hüpften. Das erste Mal konnte ich wieder richtig laut auf Ungarisch bellen. Das hörten offensichtlich auch die beiden Hunde der Horváths, die sich prompt bei mir beschwerten, weil ich sie aus ihrem verdienten Mittagsschlaf gerissen hatte. „Haltet eure blöde Klappe“, bellte ich den beiden über den Zaun. „Haltet einfach eure Klappe. Ich bin bei meiner Mama! – Habt ihr gehört, ihr beiden Doofis! – Ich bin bei meiner Mama!“ Wieder lief mir so ein komisches Huhn über den Weg. Aber das war mir in dem Moment egal. Ich war bei meiner Mama, und nur das zählte.
Über eine Stundelang besuchten wir sie, Onkel Józsi und Tante Juliska. Natürlich gab es auch hier wieder unglaublich viel zu essen und zu trinken, und meine Mama bekam von meinem Herrchen zusätzlich noch unzählige Leckerliherzchen als Ostergeschenk. Danach musste ich aber schon wieder Abschied nehmen, zumindest für heute, denn meine Mama war aufgrund ihrer verletzten Pfote sehr müde. Da ihr die Hausarztärztin zusätzlich strengste Bettruhe verordnet hatte, legte sie sich auch gleich nach meiner Verabschiedung wieder auf ihren bequem Sessel in der Garage, und ich ging einfach nur noch glücklich mit dem Gefühl nach Hause, dass mein Herrchen mir heute die mit Abstand größte Überraschung meines Lebens bereitete hatte.
Tags darauf dampfte bei uns im Garten das erste Mal der Gulaschkessel. Viele Freunde kamen zum Essen und Trinken vorbei, und brachen natürlich, wie könnte es auch anders sein, sehr viele Sachen zum Essen und zum Trinken mit. Gerade, was das Kochen mit dem Kessel betrifft, ist mein Herrchen ein ganz großer Meister. Er ist quasi der „Gulasch-King!“ Das wissen auch die Menschen und die Kinder aus Györgytarló. Gut zweieinhalb Stunden brutzelte nun der Kessel über dem offenen Feuer zu der traditionellen „Zigeuner-Techno-Musik“ von MC Hawer és Tekknő, die in angenehmer Lautstärke aus den Boxen von Alexanders Auto erklang. Wie schön und lustig eine Party ohne Alkohol sein kann, und wie viel Spaß die Menschen dabei haben, das konnte ich an diesem Abend hautnah miterleben.
Mittlerweile ließ der leckere, „unüberriechbare“ Duft allerdings meinen Magen anfangen zu knurren. Jetzt wurde es wirklich allerhöchste Zeit, dass ich etwas zu Essen bekam, denn ich hatte Hunger wie ein Bär. Meinen Wunsch erhörte offensichtlich auch Józsi Kajati, der wenig später den Kessel vom Feuer nahm, und mit dem Austeilen der Mahlzeit begann.
Da das Essen aus dem Kessel immer sehr heiß ist, musste ich mich noch einige Minuten gedulden, bis ich von dieser Köstlichkeit endlich etwas probieren durfte. Probieren ist eigentlich weit untertrieben, denn das erste Mal durfte ich drei Teller Gulasch verputzen. Ich kann euch gar nicht sagen, wie gut ich mich an diesem Abend gefühlt habe; ich weiß nur noch, dass meine Augen irgendwann vor lauter Freude anfingen grün zu leuchten wie ein Alien.
Die Ostertage waren dann eine sehr ruhige und friedliche Zeit. Mein Herrchen besuchte viele Freunde und ich durfte mit Bálint und Viktor fast den ganzen Tag im Garten spielen, spazieren gehen, oder wurde zu Hause von Mama Timi regelrecht verwöhnt. Hier ein Würstchen, dort eine Hurka, und nicht zu vergessen, die unglaublich leckeren Speckwürfel. „Leute, ich kann euch nur sagen, ein Traum!“
Nach diesem kulinarischen Wochenende, bei dem ich bestimmt ein halbes Kilo zugenommen habe, ging es allerdings wieder ziemlich aktionsreich weiter. Am Dienstag liefen wir bei Dávid Grabicza an einer wunderschönen und für mich sehr einladenden Hecke vorbei. Schon als ich sie sah, da wusste ich, dass ich hier mein kleines Geschäftchen verrichten werde. Ich hatte gerade einen der zwei dünnen Stämme anvisiert, und wollte gerade mit der Reviermarkierung beginnen, als diese Hecke plötzlich, wie aus heiterem Himmel ihre Äste in die Höhe streckte, und gleich darauf wie eine Verrückte anfing zu schreien wie am Spieß. Danach lief sie wie von der Tarantel gestochen durch den Innenhof der Grabiczas und scheuchte sämtliches Federvieh durch die Gegend. „So eine blöde Hecke!“, dachte ich. „Da will ich ihr etwas Gutes tun, und dann macht die so etwas!“ Das habe ich auch noch nicht erlebt. Ich war regelrecht verärgert. Hinzu kam auch noch, dass sich mein Herrchen über mich lustig machte, weil ich nicht gegen eine Hecke, sondern gegen eine Pute pinkeln wollte. Okay, auch egal, aber dann war das hier eine richtig „doofe“ Pute. Immer noch wie ein Rohrspatz schimpfend, fiel mir allerdings wieder ein, dass eine Pute etwas ganz Leckeres zu essen ist, denn ich erinnerte mich, dass ich als kleiner Welpe, krankheitsbedingt für länger Zeit jeden Tag nur Pute oder Hähnchen essen durfte. „Bitte jetzt nicht falsch verstehen, aber, wenn man jeden Tag so etwas Gutes zu Essen bekommt macht Kranksein fast schon richtig Spaß!“
Da diese blöde Pute immer noch wie gestört im Gehege herumlief und kauzte wie eine Irre, konnte ich meinen Mund nicht halten. „Das nächste Mal, wenn ich vorbeikomme“, bellte ich ihr wütend entgegen „pinkle ich dir nicht ans Bein; das nächste Mal, wenn ich vorbeikomme fresse ich dich auf!“… „Ja, du hast richtig gehört, du „blöde“ Pute, wenn der Grabicza dich schlachtet, dann komm ich auf jeden Fall zum Essen vorbei! …“
Auch tags darauf ging hier bei uns im Dorf die Post ab, denn ich durfte meinen Bruder „Csöpi“ vom dritten Wurf meiner Mama kennenlernen. Csöpi war ebenfalls ein total „Durchgeknallter“, und wohnte direkt gegenüber von „Brazil“ bei den Hangyals. Bereits an der Pforte verführte er einen Zirkus, den die Welt noch nicht gesehen hatte. Es fehlte nur noch, dass er zur Begrüßung einen Rückwärtssalto gemacht hätte. Wie ein „Gestörter“ jagte er mich gleich darauf durch den kompletten Garten, und bellte so laut, dass ich mich darüber ärgerte meine Ohropax vergessen zu haben. „Mein Gott, sind die alle drauf hier!“, dachte ich, und versuchte leider vergeblich mich seinen ständigen und brüsken Annäherungsversuchen zu entziehen. Dieser Flegel hatte wirklich überhaupt keinen Anstand, und dachte nur an das Eine, und dass, obwohl ich eigentlich sein Bruder war. Aber obwohl ich mich wehrte und ihm deutlich zu verstehen gab, dass er das bitte lassen sollte, machte er weiter, und ich war froh, als mein Herrchen mit Hilfe von Krisztian diesen „Irren“ stoppten, bevor vielleicht noch etwas Schlimmeres passiert wäre.
Auch die beiden letzten Tage vergingen wie im Fluge. Ich besuchte noch einige Male meine Mama, und gönnte mir ansonsten sehr viel Ruhe, aber auch Streicheleinheiten von meinem Herrchen und natürlich von Bálint und Viktor. Ich war ja schließlich im Urlaub, und da darf man schon einmal seine Seele baumeln lassen, und alles in vollen Zügen genießen.
Zu Ehren des letzten Tages veranstaltete der Bürgermeister für mein Herrchen und mich eine große traditionelle Fischsuppenparty. Wieder so eine Köstlichkeit, von denen die deutschen Hunde nur träumen können, oder von denen nur ich träumen kann, weil die deutschen Hunde das ja überhaupt nicht kennen. Ein gut 9 Kilo schwerer Karpfen, den Öcsi gerade auf dem Bild präsentiert, fand an diesem Abend den Weg in den heißen Kessel, und erzeugte wenig später einen Gaumenschmaus, der leckerer nicht hätte sein können. Ja, diese Menschen sind alles, in einem „Gulasch-Könige“, „Hurka-Kaiser“ und natürlich „Fischsuppen-Majestäten“
Dann wurde es Zeit für den schweren Abschied. Das erste Mal seit sieben Jahren regnete es wieder sehr viele Tränen, denn die Kinder, mit denen wir zusammenlebten, wollten nicht, dass wir wieder nach Hause gingen. Einer der Jungs weinte einen ganzen Abend und die halbe Nacht lang, weil er uns so lieb gehabt hatte. Auch mir fiel es sehr schwer mein altes zu Hause wieder zu verlassen und nach Hause zu fahren, weil ich hier eigentlich zu Hause war, hier bei Menschen, die noch wirklich miteinander zusammen leben, und dieses Leben auch gemeinsam teilen. Aber so sehr die Kinder auch weinten, und so schwer der Abschied auch war; wir mussten leider wieder nach Hause fahren.
So verließen wir mein Heimatdorf am nächsten Morgen sehr früh, und hinterließen hier in Györgytarló nicht nur eine Familie, die uns sehr gern gehabt hatte, sondern wir verließen auch Menschen, die uns hier zu Hause sehr sehr fehlen werden. So habe ich am Ende nur noch einen Wunsch, nämlich, dass mich mein Herrchen irgendwann noch einmal mitnimmt nach Györgytarló, und ich nicht nur meine Mama, sondern auch diese herzensguten Menschen wiedersehen darf.
Von ganzem Herzen
Euer Floh
Zugabe:
Auf der Rückfahrt hatte mein Herrchen eine weitere ganz große Überraschung für mich in Petto. So fuhren wir nicht, wie ich anfangs gedacht habe, auf dem direktem Wege nach Hause, sondern wir machten noch einen kurzen Abstecher nach Budapest und besuchten dort unsere alten Freunde Lajos und seine Frau Kati. Obwohl Lajos sowohl das Haus und auch seinen Garten komplett neu renoviert hatte, erkannte ich sofort, wo ich war, denn auch hier habe ich vor sieben Jahren unglaublich viele Abenteuer erlebt. Angefangen bei den heftigen Machtkämpfen mit Lajos’ Katze Cica, bis hin zu den wilden Verfolgungsjagden mit Pöttyü, dem Nachbarhund. Ich hatte kaum die Küche betreten, als mir Lajos’ Frau auch schon etwas zu Essen und zu Trinken reichte. Als Vorspeise gab es eine tolle Bratwurst und als Hauptgericht folgte dann wenig später noch Bauerngulasch mit Tarhonya-Nudeln. „Mein Gott, war das lecker!“ Das habe ich schon seit Jahren nicht mehr gegessen.
Danach wollte ich aber unbedingt im Garten spielen. Cica lebte ja noch. An sie hatte ich zwar keine gute Erinnerung, weil sie mir vor sieben Jahren beim Spielen einmal ganz heftig eine gescheuert hatte. Aber viele Katzen sind halt einfach nur „doof“, und zu nichts zu gebrauchen. Außerdem sprechen sie eine Sprache, die kein Hund versteht. Entweder schreien sie herum, oder sie fauchen wie wild um sich.
Dieses Mal saß Cica in der Garage auf einem Podest und musterte mich mit einem ganz komischen Gesichtsausdruck. Ich glaube sie erkannte mich nicht wirklich. Aber ihr arroganter und provozierender Blick machte mich verrückt, und ich fing an zu bellen. Da sie das nicht im Geringsten zu interessieren schien, platzte mir buchstäblich der Kragen, und ich bellte ihr meine Meinung direkt ins Gesicht, also, wie bescheuert ich es fand, dass sie einfach nur dumm auf einem Podest herumsitzt, mich blöde anschaut, und dass sie keinen Bock darauf hätte, mit mir zu spielen. Ich hatte kaum meine Stimme erhoben, als auch schon sämtliche Nachbarhunde anfingen Alarm zu schlagen. Minutenlanges „Gekläffe“ ertönte fortan durch die kleinen Alleen von Kispest. „Mein Gott, diese Typen sind ja alle noch lauter und noch gestörter als die Radaubrüder von Györgytarló!“, fluchte ich, und fragte mich gleichzeitig, was meine Artgenossen wohl zu Hause zu Essen bekamen.
Cica hatte allerdings heute wirklich keine Lust mit mir zu spielen, was auch nicht weiter schlimm war, denn wenig später musste ich mich auch hier schon wieder von zwei sehr guten, alten Freunden verabschieden.
Wer jetzt aber geglaubt hat, dass wir gleich darauf nach Hause gefahren wären, der sah sich genauso getäuscht wie ich, denn mein Herrchen setzte noch einmal einen drauf, und wir übernachteten bei Balázs, einem ebenfalls sehr guten und alten Freund von uns. Dass ich mir hier die Freiheit nahm, mich wie zu Hause zu fühlen, und deshalb sofort die Couch ganz für mich beanspruchte, das sei mir an dieser Stelle verziehen. Aber ich war einfach nur glücklich und zufrieden mit Gott und der Welt, und wollte dieses tolle Gefühl einfach auf dieser pfundsbequemen Couch in vollen Zügen genießen.
Bilder: Alexander Höfer
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