Sanfte Designs – Harmonie und Schönheit sowie eine Melange in Türkis – Der Heidelberger Kunstverein präsentierte die Vernachlässigung unseres Körpers in einer völlig neuen Dimension!
Kunst ist ja derzeit noch das einzige Genre, die den Mut hat, sehr kritisch Stellung zu den aktuellen Entwicklungen innerhalb unserer Gesellschaft zu beziehen. Auch wenn wir in unseren Berichten sehr häufig darauf aufmerksam gemacht haben, dass sich der Mensch immer stärker zu einer kontrollierbaren, fremdbestimmten und nicht mehr selbstständig denkenden Maschine zu entwickeln scheint; einer Maschine, die nur noch dazu da ist, Befehle von ihren Vorgesetzten kommentarlos auszuführen, sich keinerlei Gedanken mehr darüber zu machen, ob bestimmte Regeln und Vorgaben nun richtig oder falsch sind, oder dass sie sich aus Angst ihren Arbeitsplatz zu verlieren ganz genau an die Arbeitsrichtlinien der Chefetage halten, ändert sich leider nicht wirklich etwas an dieser traurigen Situation. Im Gegenteil, es hat vielmehr den Anschein, dass es sehr vielen Menschen völlig egal zu sein scheint, und dass sie sogar sehr gerne und voller Stolz ihre Autonomie und ihre Freiheit aufgeben, oder im Ernstfall auch ihre Seele für einen beruflichen oder persönlichen Vorteil verkaufen. Das Bewusstsein scheint offensichtlich ganz tief zu schlafen. „Ja, was tut man nicht alles für das liebe Geld, den eigenen Status, sowie den persönlichen Narziss und natürlich auch die große Anerkennung in Form von Verdienstmedaillen sowie dem jubelndem Applaus und der Bewunderung der treuen und untergebenen Fans?“
Die Verwahrlosung des Geistes, reduziert auf ein meist primitives persönliches und rein konsumorientiertes, aber vor allem passives Interesse am Leben. Eine berieselnde Agonie, mit der wir gleichzeitig auch unseren Körper schmerzhaft vernachlässigen und zwar solange, bis er endlich schwer erkrankt, und wir mit Unter sehr viele Medikamente zum „Weiterleben“ benötigen. Noch nie war diese traurige Entwicklung sichtbarer und spürbarer als heute. Der Zerfall der Bildung, ausgedrückt in sehr schwachen Lese- und Rechtschreibkompetenzen, sowie hoher Dyskalkulie und nicht mehr vorhanden gestalterischen Fähigkeiten bei unseren Kindern. Die fehlende Lust sich auszudrücken in Wort und Bild, verbunden mit dem gleichgültigen Gefühl für den hohen Wert eines persönlichen Fleißes. Absolutes Desinteresse und Verantwortungslosigkeit seitens vieler Erziehungsberechtigten. Die Folgen sind fatal, worüber auch die großen Hirnforscher und Psychiater Manfred Spitzer und Michael Winterhoff in ihren Büchern berichten. LRS, ADS und ADHS, diese angeblichen „Krankheiten“ und „Lernstörungen“, sie schossen in den letzten 20 Jahren nach oben, wie keine zweite gewinnbringende Aktie an der Börse. „Kinder, die heute sehr schön lesen, schreiben, oder sehr gut rechnen und malen können. Sie gehören mittlerweile auch schon im Gymnasium zu der Minderheit.“ – Und Kinder, die körperlich wirklich fit und leistungsfähig sind, also motiviert und wissbegierig darauf, etwas zu lernen, ebenfalls.
Die junge Künstlerin Vivian Greven bringt insbesondere die körperliche Vernachlässigung in ihrer Ausstellung „Nabel“ auf eine wunderschöne und sehr eindrucksvolle Art und Weise zum Ausdruck. „Der Nabel der Welt“, gleichzeitig als mahnende körperliche Narbe seelischer Armut. Wie ein Roter Faden zieht er sich durch all ihre Werke, die zwar äußerlich ein farbenfrohes Leben darstellen, aber hinter dem Nabel auf die traurigen Dimensionen aufmerksam macht, mit denen wir tagtäglich konfrontiert sind.
Hauptsache der Schein stimmt, ob das wahre Bild nach außen verschönt oder verzerrt dargestellt wird, vielleicht sogar falsch ist, also nicht ganz der Realität entspricht, oder noch schlimmer, ein Plagiat (einen Betrug) darstellt, zählt nicht mehr wirklich. Hauptsache der Profit stimmt und man bekommt am Ende den Ruhm und die Anerkennung, die man sich wünscht. Der Nabel wandert so über den ganzen Körper hinweg, vom Kopf bis zum kleinsten Fußzehen. Und von der Fingerkuppe bis … ja, mit Unter, tief bis ins Herzen hinein.
Als Betrachter der Werke kommt man unweigerlich ins Nachdenken, zumal der Nabel von Geburt an gleichzeitig auch die erste Narbe ist, die unseren Körper nicht unfehlbar macht und damit nicht perfekt. Vielleicht ist der Mensch deshalb stets auf der Suche nach der absoluten Perfektion und Fehlerlosigkeit. Beides sind nicht wirklich erstrebenswerte Ziele, denn Fehler sind menschlich, und sie gehören zum Leben und vor allem zum Lernen dazu, wobei noch niemals – und das lehrt uns die Geschichte – irgendjemand etwas aus Fehlern gelernt hat.
„Man lernt nur aus Erfahrungen!“ – „Aus Erfahrung wird man klug!“ – Erst die persönlichen Erfahrungen verändern unser Handeln und unser Verhalten, immer vorausgesetzt, dass wir im Laufe unserer Sozialisation – der Erziehung unserer Eltern oder auch der persönlichen Einsicht – gelernt haben, etwas an uns und unserem Tun und Handeln zu verändern.
Das ganze Leben ist eine ständige Veränderung und Neuordnung der Dinge. Ein Lernprozess, bei dem sowohl Nähe und Distanz als auch Anspannung und Entspannung sehr wichtig sind. Das berühmte Ying und Yang. Vivan Greven erweckt diese Assoziation in all ihren Werken, und lässt uns mit magischen Farbkombinationen gleichzeitig zur Ruhe kommen.
Beeinflusst vom Surfen und Streamen im Internet spiegeln ihre Werke einen neuen und unendlich kreativen Raum wieder, eine neue zeitlose Dimension. Einige Werke werden durch das Anbringen von zusätzlichen Streifen in einen Zwischenraum – eine Dreidimensionale – gebracht. Andere wiederum zeigen den wandernden Nabel, die nicht zu vertuschende Verletzlichkeit des Menschen über eine ganze Serie hinweg.
Ja, es war wieder eine sehr faszinierende Reise, auf die uns die Macher geschickt haben, und die uns einmal mehr gezeigt hat, dass es unheimlich wichtig ist, Kinder und Jugendliche regelmäßig solche Momente vor Augen zu führen, damit sie sich nicht zu einer selbstlosen und völlig abhängigen Maschine entwickeln, sondern zu mündigen und kritisch denkenden Persönlichkeiten.
Bilder: Alexander Höfer
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